: Der rote Bankboss schweigt
Friedel Neuber, mächtiger Chef der WestLB und Freund der SPD, demonstrierte gestern vor dem Untersuchungsausschuss, wie seinesgleichen in NRW mit der Flugaffäre umgeht: Nichts sagen, alles aussitzen ■ Aus Düsseldorf Pascal Beucker
Immerhin: Seinen Namen und seinen Wohnort nannte Friedel Neuber bereitwillig. Das war jedoch das Einzige, was der Parlamentarische Untersuchungssausschuss zur Aufklärung der Düsseldorfer Flugaffäre am Freitag von dem mächtigen Chef der Westdeutschen Landesbank (WestLB) herausbekommen konnte.
Stattdessen lieferte sich Neubers Anwalt, Christian Richter II., heftige Scharmützel mit dem Ausschussvorsitzenden Rolf Hahn. Nachdem Hahn eine Erklärung Neubers über die angebliche Befangenheit des CDUlers nicht zulassen wollte, erklärte Richter, er „nehme zur Kenntnis“, dass offensichtlich das Grundgesetz überall in der Bundesrepublik gelte, „nur nicht im Lande Nordrhein-Westfalen“. Für Hahn eine „Ungeheuerlichkeit“. Das Verhalten des Kölner Strafverteidigers sei „ungehörig und einem Organ der Rechtspflege nicht würdig“. Er drohte, Richter bei weiteren Attacken dieser Art das Mikrofon abzustellen oder ihn gar aus dem Saal entfernen zu lassen.
„Sie wollen nicht über ihre Befangenheit diskutieren“, konterte der Neuber-Anwalt, der zur Zeit auch den wegen Insidergeschäften angeklagten ehemaligen sozialdemokratischen Kölner Oberstadtdirektor Klaus Heugel vor Gericht vertritt. Er warf Hahn vor, die Beweiswürdigung vorweggenommen zu haben, in dem er unmittelbar nach ihrer ersten Vernehmung der wichtigsten Belastungszeugin, Sabine Wichmann, Glaubwürdigkeit attestierte. Nach tumultartigen Szenen musste Hahn zweimal den zweistündigen Versuch einer Vernehmung Neubers unterbrechen, um nicht öffentlich über das weitere Vorgehen des Ausschusses zu beraten.
Zur Aufklärung der Flugaffäre trug der Auftritt Neubers nicht bei. Denn der 64-Jährige reklamierte zum Erstaunen der Ausschussmitglieder für sich ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. Das stünde ihm zu, da die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen ihn im Zusammenhang mit den Flügen wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Stattdessen verlas er langsam und sichtlich schlecht gelaunt nur eine prozessuale Erklärung, in dem er zum einen mitteilte, dass mit der Bereitstellung der Chartermaschinen für die Landesregierung die WestLB nur ihren satzungsgemäßen Auftrag erfüllt habe.
Zudem beklagte er „eine Kampagne gegen den Bundespräsidenten und die Landesbank“. Er könne nicht erwarten, dass er mit seiner Aussage daran etwas ändere, „wenn schon das Wort des Bundespräsidenten für so leicht befunden wird, dass die Aussagen einer fragwürdigen Zeugin höher bewertet werden“. Er teilte weiter mit, dass er „aus generellen Gründen“ den Anwalt der Westdeutschen Landesbank, Dr. Thomas, der ebenfalls am Freitag vor dem Ausschuss aussagen sollte, nicht von seiner Schweigepflicht entbinde.
Der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzender Manfred Dammeyer zeigte Verständnis für das Verhalten des roten Bankbosses. Der Untersuchungsausschussvorsitzende habe Neuber „in die Aussageverweigerung getrieben“, so Dammeyer. Wer die Aussagen der Pilotenwitwe Sabine Wichman bereits vor der Anhörung anderer Zeugen als glaubwürdig bezeichne, der verstoße nicht nur gegen das Untersuchungsausschussgesetz, sondern qualifiziere von vornherein alle nachfolgenden Aussagen als „unglaubwürdig“, wenn durch sie der Wichmann-Aussage widersprochen werde. „Ich kann Neuber deswegen verstehen“, sagte der SPD-Fraktionschef. Kein Zeuge könne sich auf solch unerträgliche Weise ins Zwielicht rücken lassen.
Die CDU hingegen reagierte mit Unverständnis. Als „peinlich“ bewertete das CDU-Ausschussmitglied Heinz Hardt den Auftritt Neubers. Er habe damit „als Banker der Landesbank Schaden zugefügt“. Offenbar sei Neuber „die Spinne im Netz“, der die Machenschaften der WestLB im Nebel lassen wolle und dabei nicht einmal mitbekommen habe, dass Johannes Rau sich bereits am Mittwochabend für seine übergroße Nähe zu der öffentlich-rechtlichen Bank entschuldigt hat.
Die CDU will nun juristisch prüfen lassen, ob dem WestLB-Chef tatsächlich das von ihm in Anspruch genommene derartig umfangreiche Aussageverweigerungsrecht zusteht. Auch die grüne Fraktionssprecherin Sylvia Löhrmann kritisierte Neuber. „Man hat den Eindruck, dass die berechtigten Schutzinteressen des Zeugen auch dazu genutzt werden, nicht aufzuklären“, erklärte Löhrmann gegenüber der taz. Noch deutlicher wurde der Landesprecher der NRW-Grünen, Reiner Priggen. Er bezeichnete die Äußerungen Neubers als „Gipfel des Zynismus“. Sie zeigten, „dass das Unrechtsbewusstsein des Vorstandsvorsitzenden einer der größten internationalen Banken mittlerweile unter null liegen muss“.
Neuber, seit 1957 SPD-Mitglied und von 1962 bis 1975 sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter, gehört zu den einflussreichsten und mächtigsten Bankmanagern der Republik. Der 64-jährige gelernte Industriekaufmann sitzt unter anderem in den Aufsichtsräten der Deutschen Bahn AG und der Friedrich Krupp AG Krupp-Hoesch, ist Aufsichtsratsvorsitzender der Preussag, von Babcock Borsig und RWE. Nachdem Neuber 1981 den Vorstandsvorsitz der WestLB übernahm, hat sich die Bilanzsumme des Konzerns fast versechsfacht. Der aus Duisburg-Rheinhausen stammende Arbeitersohn gilt als Schlüsselfigur im sozialdemokratischen Filzsystem in Nordrhein-Westfalen.
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