: Bürgermeisterin greift Genossen an
Elmshorn: 15 Festnahmen bei antifaschistischem Protest. Polizei greift DGB-Demo an. Neonazis durften unbehelligt „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ skandieren ■ Von Peter Müller
Elmshorns SPD-Bürgermeisterin Brigitte Fronzek und das „Bündnis gegen Rechts“ haben gegen den Landrat des Kreises Pinneberg, Berend Harms (SPD), sowie gegen die Kieler Landesregierung wegen des polizeilichen Vorgehens bei dem Neonazi-Aufmarsch am Samstag schwere Vorwürfe erhoben. Sie fordern Rechenschaft darüber, warum die Polizei trotz massiver Gewaltaufrufe gegen einzelne Personen und das skandieren verfassungsfeindlicher Parolen nicht die Demo der 80 Rechten aufgelöst hat. Stattdessen war die Polizei im Anschluss an den rechten Spuk gegen Teilnehmer der DGB-Gegenkundgebung „für Toleranz und Integration“ vorgegangen.
Schon vorige Woche war es zu einem heftigen Disput zwischen Fronzek und Harms gekommen. Nach diversen Anschlägen auf Mitglieder des Bündnis gegen Rechts und auf das IG Metall-Büro (taz hamburg berichtete) hatte die Bürgermeisterin vom Landrat ein Verbot des Neonazi-Aufmarsches verlangt. Obwohl klar war, dass sich unter der Tarnkappe der „Jungen Nationaldemokraten“ der militante „Hamburger Sturm“ und die „Freien Nationalisten“ verbergen würden, hatte die Kreisbehörde die Demo mit dem Hinweis erlaubt, dass es sich um eine „legale Organisation“ handele.
Während sich am Samstag Mittag vor dem antifaschistischen Mahnmal an der Nikolaikirche rund 600 Elmshorner zu einer antirassistischen Gegen-Kundgebung versammelten, fuhren die Neonazis in Elmshorns Osten unbehelligt auf und formierten sich: Im Abstand von 300 Metern vor dem Treck der Rechtsradikalen machten zwei Wasserwerfer, ein Räumpanzer sowie eine Spezialeinheit der Polizei den Weg frei. Einzelnen Anwohnern, die „Nazis raus“ riefen, wurden Platzverweise angedroht.
Auch als Hamburgs Neonaziführer Christian Worch speziell Bürgemeisterin Brigitte Fronzek aufs Korn nahm, blieb die Polizei gleichgültig. „Wenn sich der Wind zu einem Sturm steigert“, so Worch in Hitler-Rhetorik, „dann wird auch sie weggefegt.“ Daraufhin die Parole: „Rote haben einen Namen und eine Adresse – kein Vergeben, kein Vergessen.“ Insgesamt sechs Kilometer marschierten die Neonazis durch Elmshorm und skandierten immer wieder: „Ruhm und Ehre der Waffen-SS.“
Am Bahnhof, am Ende des Neonazi-Aufmarsches, trafen sich beide Demonstrationszüge; es kam zu einem kurzen Gerangel. Einige Antifaschisten versuchten auf die Gleise zu klettern und so die Abfahrt der Rechten zu behindern. Dabei wurden sie allerdings von der Polizei abgedrängt. Als die Kundgebung eigentlich schon zu Ende und die Leute zurück auf dem Weg zu ihrem Ausgangspunkt an der Nikolaikirche waren, griff eine Spezialeinheit der Polizei sie an, um die angeblichen Gewälttäter ausfindig zu machen. Die Polizei nahm 15 Personen fest. Ein DGB-Ordner wurde dabei durch Knüppelschläge krankenhausreif geschlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen