Gut geplaudert beim Konsens

■ Verhandlungen zwischen Bundesregierung und AKW-Betreibern in der Endphase: Konzerne fordern viel, Bundeskanzler will trotzdem Entscheidung bis Monatsende

Bonn/Berlin (AP/taz) – Am Freitag gingen nach einer monatelangen Pause die Atomkonsensgespräche in die letzte Runde. In Bonn trafen sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Vorstandschefs der Stromkonzerne und AKW-Betreiber RWE, Bayernwerk/Viag, PreussenElektra/Veba und Energie Baden-Württemberg. Verhandelt wurde vor allem über die Restlaufzeiten der 19 in Deutschland derzeit laufenden Reaktoren.

Ein konkretes Ergebnis wurde noch nicht präsentiert. Dazu sind die Positionen anscheinend noch zuweit auseinander. Aber: „Ich gehe nicht davon aus, dass keine Einigung kommt“, sagte der Kanzler. Auch RWE-Chef Dietmar Kuhnt meinte nach dem Treffen, es gebe „konstruktive Ansätze“.

Die Bundesregierung war in das Treffen mit dem Angebot einer Gesamtlaufzeit pro AKW von 30 Kalenderjahren gegangen. In etwa 20 Jahren ginge dann der letzte Meiler vom Netz. Das ist den Konzernen zuwenig. Sie fordern längere Fristen und wollen sowieso viel lieber in Volllastjahren rechnen – weil dann ein Betriebstag nur dann als voller Tag angerechnet wird, wenn das AKW auf vollen Touren gelaufen ist. Vor dem Treffen war bei den AKW-Betreibern von einem Minimum von 35 Volllastjahren die Rede.

Laut Berliner Zeitung haben die Stromkonzerne bei dem Treffen gefordert, den deutschen AKW solle pauschal eine noch verbleibende Strommenge zugestanden werden, und zwar 3.000 Terawattstunden (eine Terawattstunde ist eine Milliarde Kilowattstunden). Erst wenn diese riesige Menge erzeugt wurde, soll die Atomkraft in Deutschland am Ende sein. Im Gegenzug seien die Unternehmen bereit, bis zu vier Kernkraftwerke vor der nächsten Bundestagswahl abzuschalten. Im Gespräch seien die Meiler Stade, Obrigheim, Biblis A und Brunsbüttel.

Der Naturschutzbund Nabu hat das Treffen unter anderem wegen der hohen Reststrommenge als „Schauveranstaltung ohne inhaltliche Substanz“ bezeichnet. Von Beginn der Atomkrafterzeugung in den 60er-Jahren bis heute hätten die deutschen AKW weniger Strom erzeugt, nämlich knapp 2.800 Terawattstunden. Von einem Atomausstieg könne so also nicht die Rede sein.

Auf Volllastjahre umgerechnet sollen die 3.000 Terawattstunden in etwa den 35 Volllastjahren entsprechen. Das Angebot ist aber laut Umweltminister Jürgen Trittin nicht annehmbar: Erstens wegen der langen Restlaufzeiten und zweitens, weil es den Ausstieg rechtlich schwierig machen würde. Bei der Variante Reststrommenge müsste der Bundesrat zustimmen. Und die CDU-regierten Länder haben schon ihren heftigsten Widerstand gegen einen Atomausstieg angekündigt.

In seiner üblichen Weisheit erreichte Gerhard Schröder deshalb an Freitag die Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Kanzleramtsminsters Frank-Walter Steinmeier. Die Experten aus Regierung und Konzernen sollen sich bis Ende Februar einigen. Schröder erinnerte die Energieversorger daran, dass es ihnen doch recht sein müsse, die Bedingungen des Ausstiegs mit zu verhandeln. Wenn es bis Monatsende kein Ergebnis gebe, dann allerdings werde die Regierung ihren Plan wahr machen und ein Gesetz mit 30 Jahren Laufzeit ohne Zustimmung der Betreiber durchpauken.

Dieses Bekenntnis Schröders zum Zwangsausstieg im Notfall war denn für den Sprecher des Umweltministeriums, Michael Schroeren, zunächst auch das wichtigste Ergebnis des Treffens.

Reiner Metzger