Legal, illegal, Hessenwahl

■ Die Opposition in Hessen kann hoffen: Vielleicht wird die Landtagswahl 1999 vom dortigen Wahlprüfungsgericht annulliert. Heute fällt die erste Vorentscheidung

Ob Roland Koch noch lange Ministerpräsident in Hessen bleiben kann, muss bald das dortige Wahlprüfungsgericht entscheiden. Heute trifft es in Wiesbaden zum ersten Mal zusammen, um über die Folgen der illegalen CDU-Wahlkampffinanzierung bei der letzten Landtagswahl zu beraten.

Das Wahlprüfungsgericht besteht aus fünf Personen. Den Vorsitz hat Bernhard Heitsch, Präsident des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH). Ihm zur Seite stehen Brigitte Tilmann, Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt, sowie die Landtagsabgeordneten Manfred Schaub (SPD), Stefan Grüttner (CDU) und Jörg-Uwe Hahn (FDP).

Im Juli hatten sie sich schon einmal mit der hessischen Landtagswahl beschäftigt und die Wahl für gültig erklärt. Damals ging es allerdings nur um kleinere Probleme. Mal fehlte ein Name im Wahlverzeichnis, mal waren Briefwahlunterlagen zu lange unterwegs – nichts, was den Ausgang der Wahl beeinflusst hätte. Jetzt geht es um ganz andere Fragen: Wie ist die Verwendung von CDU-Geldern zu bewerten, deren Herkunft nach wie vor unklar ist und die nie in den Rechenschaftsberichten der Partei auftauchten? Rund 70 neue Einsprüche gegen die hessische Landtagswahl liegen dem Wahlprüfungsgericht inzwischen vor, unter anderem von den hessischen Landesverbänden der „Republikaner“ und der PDS. Alle fordern sie eine Wiederholung der Wahl, weil sich die CDU einen illegalen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Auch Hans Meyer, der führende deutsche Wahlrechtler und zur Zeit Präsident der Berliner Humboldt-Universität, hält eine Wiederholung der Landtagswahl für notwendig (siehe Interview).

Präzedenzfälle für derartige Fragen gibt es allerdings nicht. Deshalb will das Wahlprüfungsgericht die Prüfung betont vorsichtig angehen. Am heutigen Montag wird nur entschieden, ob „Vorermittlungen“ aufgenommen werden. Damit ist jedoch zu rechnen. Die Ermittlungen würden dann im Auftrag des Gerichts von dem VGH-Richter Hans-Joachim Höllein geführt. Alle hessischen Behörden müssten dem Wahlprüfungsgericht Amtshilfe leisten. Zudem könnten in öffentlicher Sitzung auch Zeugen verhört werden.

Nach einer Wahlwiederholung würden wohl wieder SPD und Grüne die Regierung übernehmen. Laut einer letzte Woche veröffentlichten Infratest-Umfrage drohen der Hessen-CDU Stimmverluste von rund 8 Prozent. Kein Wunder, dass CDU und FDP Ende Januar die von der Opposition beantragte Auflösung des Landtags ablehnten. Die Hoffnungen der Opposition ruhen nun vor allem auf dem Wahlprüfungsverfahren.

Im Hinblick auf die letzten Bundestagswahlen gibt es noch keine entsprechenden Diskussionen. Theoretisch könnte die Gültigkeit dieser Wahlen ebenfalls durch illegale Finanzpraktiken der CDU beeinträchtigt sein. Nach Abschluss der normalen Einspruchsfrist von zwei Monaten kann aber nur noch der Bundestagspräsident eine Wahlprüfung einleiten. Er hat dafür eine Frist von einem Monat nach Bekanntwerden neuer Tatsachen. Da die CDU jedoch – anders als in Hessen – die letzte Bundestagswahl verloren hat, dürfte kaum jemand Interesse an einem solchen Verfahren haben; die Mehrheitsverhältnisse würden sich schließlich nicht ändern. Eine Prüfung der Wahlen von 1994 und 1990 ist heute allerdings nicht mehr möglich.

Christian Rath