: Scheinkampf der Katholiken geht weiter
Der Sozialdienst katholischer Frauen in Bayern will einen unabhängigen Verein gründen, um weiterhin Schwangerenberatung mit Schein anzubieten. Aber dürfen sie das überhaupt?
Berlin (taz) – Inwieweit sind katholische Sozialarbeiterinnen an das päpstliche Wort gebunden? Diese abstrakt kirchenrechtliche Frage hat für Frauen im Schwangerschaftskonflikt, die bei katholischen Verbänden Hilfe suchen, konkrete Folgen.
Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in der Diözese Paderborn musste im Januar die Konfliktberatungen mit Schein einstellen. „Die Frauen haben daraufhin reihenweise ihre Termine abgesagt“, erklärt Christa Beermann, Referentin für Schwangerenkonflikberatung beim Bundes-SkF. Diese Frauen seien für katholische Beraterinnen nicht mehr erreichbar. Der SkF in Paderborn stellt keine Scheine mehr aus, weil dem Verband arbeitsrechtliche und finanzielle Folgen von Kirchenseite angekündigt wurden. Auch in anderen Diözesen drohen die Bischöfe damit. Um den Frauen weiterhin eine gesetzliche Konfliktberatung mit Schein zu bieten, hat der bayerische Landesverband des SkF jetzt beschlossen, einen unabhängigen Verein zu gründen. Doch für den Bundes-SkF ist eine Ausgliederung der Arbeit nur der letzte Schritt. „Wir streben weiterhin an, die Konfliktberatung innerhalb des SkF fortzusetzen“, erklärt Beermann. Bei seinem heutigen Treffen wird der Verband über das weitere Vorgehen entscheiden.
Im November 1999 war der Ständige Rat der Bischofskonferenz der Weisung des Papstes gefolgt und hatte den endgültigen Ausstieg aus der Schwangerenkonfliktberatung beschlossen. Nach einer Übergangsfrist bis Ende 2000 dürfen keine Scheine mehr ausgestellt werden. Der SkF hatte daraufhin verkündet, die bisherige Praxis fortzusetzen.
Im vorigen Monat wandte sich der SkF an die deutschen Bischöfe mit der Bitte, seine Tätigkeit zu respektieren. Die Frauen vom Sozialdienst berufen sich dabei, unterstützt von Kirchenrechtlern, auf das II. Vatikanische Konzil von 1962. In diesem wird die starre Hierarchie der katholischen Kirche geöffnet und die Stellung derjenigen, die kein Kirchenamt bekleiden – der Laien –, gestärkt. Der SkF sieht sich dadurch legitimiert, in „Eigenverantwortung“ die Beratung mit Schein fortzusetzen.
Doch will der Frauenverband es sich nicht mit den Kirchenoberen verderben. Deshalb hat er den Bischöfen die Option der „Duldung“ vorgeschlagen. Dabei würden die Bischöfe auf Sanktionen kirchen- oder arbeitsrechtlicher Art verzichten. Sie würden sich aus der Finanzierung der Pflichtberatung zurückziehen, aber weiter Geld für die allgemeine Schwangerenberatung bereitstellen. „Damit können die Bischöfe der päpstlichen Aufforderung folgen, denn es fließen keine Kirchensteuermittel mehr in die Pflichtberatung“, erläutert Beermann. Zugleich wäre die Arbeit im Verband sichergestellt.
Der Ständige Rat der Bischöfe konnte sich bei seiner Tagung vor zwei Wochen auf keine einheitliche Linie zu der Laienfrage einigen. Es seien keine Beschlüsse gefasst worden, sagte ein Sprecher. Bischof Karl Lehmann, Vorsitzender der Bischofskonferenz, wies allerdings darauf hin, dass die „bloße Fortsetzung der bisherigen Beratungspraxis, also der Pflichtberatung“ für alle Träger, „die – wie auch immer – im Bereich der Kirche verwurzelt sind“, nicht realistisch sei. Dem widersprach gestern Rita Waschbüsch, die Vorsitzende der Laienorganisation „Donum Vitae“, die sich als Reaktion auf das Wort von Johannes Paul II. in Bayern gegründet hatte. „Die Weisung, aus der staatlichen Beratung auszutreten, gilt für die kirchenrechtlich eingebundenen Vereine, sie gilt nicht für bürgerliche Vereine“, erklärte Waschbüsch.
Durch die Absicht des SkF, in Bayern jetzt auch einen unabhängigen Verein auf die Beine zu stellen, fühlen sich die „Donum Vitae“-Laien düpiert. „Zwei Vereine nebeneinander – das macht keinen Sinn“, empörte sich die Landesvorsitzende Hanna Stützle: „Wir sollten keine örtliche Konkurrenz aufbauen.“ Die Frauen vom SkF dagegen berufen sich auf ihre Fachkompetenz und die bestehende Infrastruktur im Verein. „Es sind Kooperationen mit Donum Vitae in einzelnen Diözesen geplant“, beschwichtigt Beermann.
Bischof Lehmann mahnte indes, es dürfe keine verschiedenen Konzepte geben. Den Bischöfen sei „eine Gemeinsamkeit fundamentaler Art bei den Beratungsträgern wichtig“. Doch das ist ein Nebenschauplatz. Die Frage, die Bischöfe und Beratende klären müssen, ist, inwieweit sich die Laien-Verbände auf die katholische Kirche berufen dürfen. Die Rechtsexperten streiten. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdeke etwa findet selbst Donum Vitae inakzeptabel. Wer einen solchen Verein gründe, ihm beitrete oder ihn unterstütze, weiche von der verbindlichen Vorgabe des Papstes ab. Die Gegenseite argumentiert, die Pflichtberatung innerhalb des SkF zu belassen sei die Umsetzung des II. Vatikanums in die Praxis. Die Kirche habe keinerlei Sanktionsmittel in der Hand. Sie könne lediglich den Geldhahn zudrehen. Isabelle Siemes
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