: Neustart in Schönefeld
Die quälende Untätigkeit ist vorbei. Die Planer des künftigen Großflughafens haben den Baukonzern Hochtief rausgeschmissen. Jetzt ist nur noch ein Bieter im Rennen ■ Von Richard Rother
Die Erleichterung stand ihnen im Gesicht geschrieben. Nach monatelangem Stillstand konnten die Berliner Flughafen-Planer gestern verkünden: Das Konsortium um den Essener Baukonzern Hochtief wird aus dem Privatisierungsverfahren der Berlin-Brandenburg Flughafen-Holding (BBF) ausgeschlossen. Damit sind die Essener beim Kampf um Bau und Betrieb des künftigen Großflughafens vorläufig aus dem Rennen. Erst vor knapp einem Jahr hatte das Hochtief-Konsortium, dem außer dem Baukonzern noch die Flughafen Frankfurt AG (FAG) sowie die Bankgesellschaft Berlin angehören, den Zuschlag für das lukrative Acht-Milliarden-Projekt erhalten. Jetzt wird nur noch mit dem Konsortium um die Bonner IVG-Gruppe verhandelt. Die IVG geht davon aus, den Flughafen wie geplant bis 2007 bauen zu können.
Der lang erwartete Rausschmiss von Hochtief bedeutet für die Flughafen-Planer sowohl einen Befreiungsschlag als auch ein spätes Eingeständnis, dass bei dem Großprojekt grobe Fehler gemacht worden sind. Immerhin ist der monatelange Stillstand im Privatisierungsverfahren beendet. Andererseits drohen Klagen von Hochtief, auch ist der Ausgang der Verhandlungen mit der IVG ungewiss.
Welch ein Fiasko, wo doch derBund, der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung, die gemeinsam Flughafen-Gesellschafter sind, mit dem Berliner Flughafen-Bau einen verkehrspolitischen Vorzeige-Bau iniziieren wollten: das erste milliardenschwere Insfrastruktur-Projekt in Deutschland, das rein privat gebaut und betrieben wird.
Dafür war man den Investoren weit entgegen gekommen. Um den Bau zu finanzieren, hätten sie von allen Berliner Fluggästen eine Flughafengebühr verlangen dürfen. Auf bereits gemachten Schulden wäre die öffentliche Hand sitzen geblieben. Die Verkehrsanbindung wurde garantiert. Das Hochtief-Konsortium legte dafür 650 Millionen auf den Tisch – die Politiker griffen gern zu. Schließlich hatte die Hochtief-Konkurrenz um die Bonner IVG-Gruppe zunächst nur 350 Millionen geboten.
Im August vergangenen Jahres kassierte das Brandenburger Oberlandesgericht die Vergabe an Hochtief. Ein Grund: Personelle „Verflechtungen zwischen dem Hochtief-Konsortium als Bieter und der Auftraggeberseiter“. Unter anderem saß die damalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing sowohl im Aufsichtsrat der BBF als auch in dem der Berliner Bankgesellschaft, die ausgerechnet dem Hochtief-Konsortium angehört.
Diese Gerichtsentscheidung habe auch die Grundlage für den Ausschluss gegeben, sagte gestern der Chef der BBF-Planungstochter PPS, Michael Pieper. Zudem seien durch Hochtief die PPS-Vergaberegeln verletzt worden. Einzelheiten wollte der PPS-Chef im Blick auf eine mögliche Hochtief-Klage gegen den Ausschluss nicht nennen. Auch habe man nicht den Eindruck, dass in Zukunft eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich sei. Hochtief hatte in der vergangenen Woche der PPS angeboten, sich von von seinem besonders belasteten Partner FAG zu trennen und die bisher zuständigen Hochtief-Manager mit anderen Aufgaben zu betrauen.
Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdacht gegen den BBF-Berater Herbert Märtin und dessen Firma WIB sowie gegen FAG- und Hochtief-Manager. Bei Durchsuchungen sollen unter anderem vertrauliche Unterlagen der Konkurrenz in den Akten entdeckt worden sein. In diesem Zusammenhang sprechen Beobachter immer wieder von Industrie-Spionage.
PPS-Chef Pieper geht davon aus, dass Hochtief möglicherweise auf eine Klage verzichtet. In einem solchen Verfahren würden alle Akten auf den Tisch kommen. „Ob das dem Image von Hochtief nützt, ist fraglich“, so ein Beobachter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen