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Abendland geht vermutlich doch nicht unter

Kompromiss im Streit um die Buchpreisbindung: national ja, grenzüberschreitend nein

Ohne viel Aufhebens ist in Brüssel gestern Abend ein Streit beigelegt worden, der Verlage, Literaten, Wettbewerbshüter und Leitartikler jahrelang beschäftigt hat. In einem Brief an den deutschen und den österreichischen Verlegerverband billigte Wettbewerbskommissar Mario Monti den Kompromissvorschlag zur Buchpreisbindung, den der Börsenverein des deutschen Buchhandels Mitte Januar vorgelegt hatte.

Deutschland und Österreich werden je ein nationales Preisbindungssystem entwickeln. Die grenzüberschreitende Buchpreisbindung, die den Unwillen der Brüsseler Wettbewerbshüter erregt hatte, wird abgeschafft. Monti stellt in seinem Brief allerdings klar, dass er Preisabsprachen, die sich auf Internet und Versandhandel beziehen, nur auf Händlerebene akzeptieren wird. Internet- und Versandhandelspreise für Endverbraucher dürfen nicht von den Verlagen diktiert werden. In diesem Punkt, so Experten aus der Kommission, könnte doch weiterer Sprengstoff liegen. Denn ob die Verlegerverbände Montis Klarstellung des von ihnen nicht eindeutig formulierten Vorschlags zum Internethandel hinnehmen, müsse abgewartet werden.

Die Buchpreisdebatte ist wie kaum ein anderers Wettbewerbsthema mit Namen und Gesicht des Monti-Vorgängers Karel van Miert verbunden. Immer wieder bemühte er sich, kritschen Journalisten und besorgten Buchhändlern seinen Standpunkt klarzumachen: Für nationale Regelungen interessiert sich das EU-Wettbewerbsrecht nicht. Absprachen zwischen gleichsprachigen Ländern aber müssen vom Tisch.

Sachliche Argumente fielen selten auf fruchtbaren Boden bei dieser emotionalisierten Debatte. Für die Befürworter einer grenzüberschreitenden Buchpreisbindung ging es um nichts Geringeres als um die Bewahrung der abendländischen Kultur. Die Gegner sahen das freie Spiel der Kräfte in Gefahr – und ihre eigenen Umsätze. Denn Verlagsmultis wie Burda oder Bertelsmann hängen schon längst nicht mehr an der Buchpreisbindung. Ein freigegebener Buchmarkt wäre für sie die ideale Gelegenheit, kleine Verlage durch Dumpingpreise auszubooten und am Ende zu schlucken. Die kleinen Unternehmen kämpften energisch dafür, das bestehende System beizubehalten. Es geht um ihre Existenz.

Die widerstreitenden Interessen innerhalb der Verlegerverbände waren hauptsächlich schuld daran, dass sich der Streit so lange hinzog. Inzwischen haben wohl alle Beteiligten eingesehen, dass der Preiskampf längst nicht mehr an der österreichisch-deutschen Grenze tobt, sondern im Cyberspace. Die eigentlich spannende Frage lautet, ob es den Verlagen gelingen kann, die Internet-Preise unter Kontrolle zu behalten.

In Österreich beginnt unterdessen eine Buchpreisdebatte der neuen Haiderschen Denkungsart. Die Buchpreisbindung sei ein sozialdemokratisches Überbleibsel und solle aus dem Programm der konservativen ÖVP gestrichen werden, kündigte die neue Regierung in Wien an. Michael Naumann, der deutsche Kulturstaatsminister, protestierte scharf gegen den Plan, an dem sich „Unkenntnis und Ressentiment der Wiener Koalition“ zeige. Aber das ist eine andere Debatte.

Daniela Weingärtner

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