: Anträge auf Einbürgerung nehmen zu
Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung stellt ihren „Bericht zur Lage der Ausländer“ vor. Tenor: Das neue Staatsbürgerschaftsrecht ist ein „Meilenstein“, aber es gibt immer noch sehr viel zu tun ■ Von Tina Stadlmayer
Berlin (taz) – „Was läuft in Berlin schief, dass die Einbürgerungszahlen dort zurückgehen?“ Diese Frage stellte die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, die Grüne Marieluise Beck, gestern in der Hauptstadt vor Journalisten. Es war ein ironischer Seitenhieb auf den CDU-Innensenator Berlins, Werthebach, der erst vor kurzem öffentlich über die rückläufigen Zahlen in seiner Stadt frohlockt hatte.
Nach einer Umfrage der Ausländerbeauftragten geht der Trend in den meisten Großstädten und Kommunen aber in die andere Richtung: Die Anträge auf Einbürgerung, so Beck, haben sich seit dem Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechtes am 1. Januar „vermehrt und in einigen Kommunen sogar verdoppelt.“ Das neue Gesetz sei ein „Meilenstein der Integrationspolitik“, sagte sie bei der Vorstellung ihres „Berichts zur Lage der Ausländer“. Das Kabinett hatte den Bericht und Becks „Leitlinien zur Integrationsförderung“ zuvor abgesegnet. Marieluise Beck kritisierte bei der anschließenden Pressekonferenz auch die schweren Sprachtests, die den Einbürgerungswilligen in Bayern abverlangt werden: „Das ist Obstruktionspolitik.“ Bayern sei aus dem Konsens der Länder mit der Bundesregierung ausgeschert und versuche auf diese Weise, die Zahl der Einbürgerungen niedrig zu halten.
Die Ausländerbeauftragte musste in ihrem Bericht „Rückschritte bei der Integration“ vermelden: Die Arbeitslosigkeit von Ausländern habe 1998 mit 20 Prozent ihren „historischen Höchststand“ erreicht. Sie sei inzwischen doppelt so hoch wie bei Deutschen. Das liege unter anderem daran, dass Ausländer oft wenig qualifizierte Arbeiten verrichten, die zunehmend der Rationalisierung zum Opfer fallen. Besonders bedauert Beck, dass die Ausbildungsquote bei ausländischen Jugendlichen stark gesunken ist. Die rot-grüne Bundesregierung habe darausbereits Konsequenzen gezogen. Im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ mache sie sich für einen Aktionsplan zur Schaffung von Ausbildungsplätzen für ausländische Jugendliche stark. Auch der öffentliche Dienst werde künftig „vermehrt auf die Einstellung von MigrantInnen“ achten. Allerdings: Wer Beamter werden wolle, benötige nach wie vor einen deutschen Pass. Die Sprachförderung soll künftig von allen zuständigen Ministerien gemeinsam vorangebracht und finanziert werden. Denn: „Sprachprobleme gibt es auch bei denen, die in der zweiten und dritten Generation hier leben.“
Außerdem will die Regierung in Zukunft Neuzuwanderern, insbesondere Frauen, die über den Familiennachzug nach Deutschland kommen, sofort nach der Ankunft „umfassende Sprach- und Orientierungshilfen“ vermitteln. Ein solches Modell habe sich in den Niederlanden sehr bewährt. Marieluise Beck hat sich einen zusätzlichen Anreiz überlegt: Die erfolgreiche Teilnahme an einem Sprach- und Orientierungskurs könne die Regierung „mit dem Recht auf unmittelbaren und unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt“ verknüpfen.
In Becks Bericht heißt es im Kapitel „Leitlinien der Integrationsförderung“ darüberhinaus: Die Verbesserung der Sprachkenntnisse für diejenigen, die schon in der Bundesrepublik leben, müsse „bereits im vorschulischen Bereich beginnen und in der Grundschule gezielt fortgesetzt werden“. Die Ausländerbeauftragte macht sich außerdem dafür stark, dass das Arbeitsgenehmigungsrecht „vereinfacht und entbürokratisiert“ wird: „Wer langfristig hier leben soll, muss hier arbeiten dürfen.“ Auch Menschen ohne Aufenthaltsrecht, die nur einen „Duldungsstatus“ haben, sollen in Zukunft arbeiten dürfen. Bislang gilt eine Weisung der alten Regierung, nach der diese Menschen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Diese Weisung hält die Ausländerbeauftragte für „rechtswidrig“: Flüchtlinge dürften „nicht in die Arbeitslosigkeit abgedrängt“ werden.
In Deutschland leben etwa 7,3 Millionen AusländerInnen, das sind 8,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dreißig Prozent leben bereits 20 Jahre und länger hier, die Hälfte seit über 10 Jahren. Nach dem vor einigen Monaten vorgestellten Migrationsbericht wandern mehr Menschen aus als zuwandern. Deshalb, so Beck, könne über das Thema Zuwanderung in Zukunft „ohne Angstbekunden“ diskutiert werden.
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