: „Eine Lüge ist eine Lüge“
■ Hildegard Hamm-Brücher, die Grande Dame der Liberalen, rät ihrer Partei, Wort zu halten und aus der hessischen Koalition auszusteigen. Der Versuch, den Lügner Koch zu retten, sei so billig wie der Vorwurf an die Opposition, parteitaktisch zu agieren
taz: Roland Koch hat gesagt, er habe eine Dummheit begangen.
Hildegard Hamm-Brücher: Das ist ein bisschen harmlos ausgedrückt.
Wie würden Sie es nennen?
Eine Lüge ist eine Lüge und keine Dummheit.
Muss jetzt die FDP aus der Koalition aussteigen?
Unser Bundesvorsitzender Wolfgang Gerhardt hat vor einigen Wochen gesagt, wenn sich herausstellen sollte, dass die CDU im Allgemeinen und Herr Koch im Besonderen gelogen haben, sollte die FDP aus der Regierung ausscheiden. Dieser Moment ist jetzt gekommen. Darum denke und hoffe ich, dass die hessische FDP Konsequenzen zieht.
Glauben Sie, dass Herr Gerhardt zu seiner Aussage steht – jetzt, da es um die Macht geht?
Ich hatte mal einen Lehrer, der sagte: Glauben tut man in der Kirche. Aber ich hoffe, dass er zu seinem Wort steht. Das würde nicht nur der FDP sehr gut tun und wieder ein wenig mehr Vertrauen in der Öffentlichkeit schaffen. Es würde auch die demokratische Hygiene in unserem Land voranbringen.
Kritiker unterstellen Gerhardt ein taktisches Verhältnis zu Prinzipienfragen. Zu Unrecht?
Er kommt jetzt ja auf den Prüfstand. Wenn er eine Ausflucht sucht, dann ist das möglicherweise tatsächlich so. Ich denke, die FDP muss Konsequenzen unabhängig davon ziehen, was dann aus ihr wird. Ich denke übrigens, dass ein Ausstieg aus der Koalition bei den Wählern auf positive Resonanz stoßen würde.
Nach den jetzigen Meinungsumfragen würde sich die Regierungspartei FDP in der Opposition wiederfinden.
Das hat noch keiner demokratischen Partei geschadet. Das ist doch im Gegenteil ganz gut. In der Opposition zu sein, ist schließlich keine Strafe, sondern eine Aufgabe.
Trotzdem ist der Verlust der Macht bitter.
Es ist doch gar nicht ausgemacht, dass die FDP bei Neuwahlen wieder in die Opposition gehen müsste. Das sind ja alles Planspiele. Man kann aber genauso gut das Planspiel machen, dass die FDP zunimmt und mit der SPD eine Koalition eingeht. Ich hoffe ja unverändert, dass die FDP nicht immer nur ein Anhängsel der CDU sein will, um ihre Existenz zu sichern.
Die Koalition in Hessen sagt, SPD und Grünen gehe es bei Neuwahlen nicht um die Moral, sondern um parteitaktisches Kalkül.
Dieser Vorwurf ist billig, weil er immer passt. Was ist denn nicht parteitaktisch in unserer Parteiendemokratie? Die Koalition muss ja gerade aus moralischen Gründen zurücktreten. Es geht nicht, jetzt weiter zu lavieren und zu sagen, so war das alles nicht gemeint.
Aber Herr Koch gelobt Besserung. Kann man ihm diese Chance nicht einräumen?
Nein, das würde ich nicht machen. Ich erinnere mich noch an den Fall unseres Wirtschaftsministers Möllemann, der seinerzeit nicht die Wahrheit gesagt hat. Da ging es um die Frage, ob er einen Brief kannte, der unter seinem Briefkopf verschickt worden war. Das war eine Bagatelle im Vergleich zu dem, was Herr Koch auf sich geladen hat. Trotzdem ist er zurückgetreten.
Koch und seine Anhänger argumentieren, es sei unvermeidlich, dass die Aufklärer den Schmutz ihrer Vorgänger aufwirbeln. Es wäre aber ungerecht, wenn deshalb dieser Schmutz an ihnen hängen bliebe.
Wieso denn ungerecht? Nicht eine Spur ist das ungerecht! Roland Koch hat sich geriert als der große Aufklärer und dabei vor Wochen schon gewusst, dass er falsche Tatsachen bekannt gibt. Da habe ich doch kein Mitleid mit ihm!
Roland Koch erhält Unterstützung aus der Bundes-CDU. Wolfgang Schäuble fürchtet offenbar, wenn ein Aufklärer wie Koch fällt, schwächt das auch die Position der Aufklärer in der CDU insgesamt.
Aber das ist ganz großer Unsinn. Herr Schäuble hat auch wiederholt nicht die Wahrheit gesagt. Jetzt gibt es den ganz billigen Versuch, Herrn Koch zu retten. Es ist kein Argument zu sagen, man schwächt die Aufklärer. All die Aufklärer sind, außer Frau Merkel, selbst mitverantwortlich oder sogar Täter. An die Heldenhaftigkeit der Aufklärer glaube ich längst nicht mehr.
Interview: Patrik Schwarz
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