Dokumentation: „Das Vertrauen ist gründlich zerstört“
■ In einem offenen Brief an Kultursenator Bernt Schulte (CDU) begründet das Schnürschuh Theater, warum es nicht mit der Kulturbehörde zusammenarbeiten kann / Kulturszene boykottiert Workshops der Behörde
Gestern hatte die kultursenatorischen Wirtschaftsberatungseinrichtung kultur.management.bremen (kmb) ins Berufsbildungszentrum geladen. Dort wollte die kmb den Theatern und Orchestern das Entwickeln von „Produktplänen“ beibringen. Nun hatte aber die Kulturszene in Anbetracht verheerender Sparexzesse in spe auf Beschluss des Kulturrats vom 8. Februar die Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde aufgekündigt.
Deshalb kamen zu den Workshops nicht: die Shakespeare Company und das Schnürschuh Theater. Weil die Einladung ans Bremer Theater die Form einer Dienstanweisung hatte, entschied sich dieses Haus zur Teilnahme. Eine junge „Streikbrecherin“ meinte auf die Frage, wer sie denn sei: „Das kann ich nicht sagen. Aber ich bin von einer Kulturinitiative.“ Und kmb-Chef Volker Heller wollte dem Fernsehmagazin buten & binnen nur dann ein Interview gewähren, wenn er den Endschnitt kontrollieren dürfe. „Wissen Sie, bei der aufgeladenen Atmosphäre, die wir zurzeit haben.“ Ein eisiges Klima...
Im Folgenden dokumentieren wir in Auszügen einen offenen Brief des Schnürschuh Theaters an die Adresse von Kultursenator Bernt Schulte (CDU). Darin erläutert das Theater, warum es den Entschluss des Kulturrats für richtig hält, vorläufig icht mehr mit dem Kulturbehörde zu kooperieren. Außerdem zeigt es auf, welche dramatischen Folgen die vom Senat beschlossene Kündigung des Vertrauensschutzes hätte. Ein weiteres Indiz für das frostige Klima zwischen Kulturszene und dem Senator: Der Kulturrat hat gestern eine Arbeitssitzung abgesagt, zu der Bernt Schulte als Gast eingeladen war. Weitere Gespräche zwischen dem Kulturrat und der Kulturbehörde seien erst möglich, heißt es in der Absage, wenn der Senat die Kündigung des Vertrauenschutzes wieder zurücknehme.
„Sehr geehrter Herr Senator Dr. Schulte,
nach der von Ihnen in der öffentlichen Diskussion am 4. Februar in der oberen Rathaushalle gemachten Mitteilung, nicht Sie als Kultursenator, sondern der gesamte Senat würde in den nächsten Tagen den Vertrauensschutz für alle institutionell geförderten Kultureinrichtungen aufkündigen, haben sich Kulturrat und die Kulturinitiative Anstoß gemeinsam entschieden, sich bis zur Aufhebung dieses Senatsbeschlusses nicht mehr an Veranstaltungen und Kooperationen mit der Kulturbehörde zu beteiligen, da eine solche Beteiligung nur zur Abschaffung, vielleicht sogar der eigenen Einrichtung dienen kann.
Das Schnürschuh Theater stellt sich hinter diese Erklärung.
(...) Es sind nicht die Kultureinrichtungen, die ihre Ziele, Leistungen und Leistungsvoraussetzungen für die kulturpolitische Auseinandersetzung transparenter machen müssen. Das Schnürschuh Theater ist gegenüber der Kulturbehörde immer transparent gewesen, alle angeforderten Zahlen sind immer geliefert worden, hierüber hat es nie Beanstandungen der abrechnenden Stellen gegeben. Auch die angestrebten Ziele und Leistungen sind in jahrelanger Praxis immer wieder formuliert und erreicht worden. In unzähligen Darstellungen liegen in den Akten der Kulturbehörde alle wichtigen und wesentlichen Daten vor. Rückfragen, Gespräche sind jederzeit möglich, transparenter kann man nicht sein.
Das Schnürschuh Theater braucht die Arbeit der kmb GmbH nicht und hat sie sich als Beratung auch nicht gewünscht und wurde auch nicht nach Sinn und Zweck dieser Einrichtung gefragt.
Vielleicht ist es an einem Beispiel leichter nachzuvollziehen, wie katastrophal sich ein wenn vielleicht auch nur vorübergehender Entzug des Vertrauensschutzes auswirkt. Er muss zu vorläufigen Kündigungen der Stammmitarbeiter führen, was in unserem Falle schon mal eine Rückzahlungsforderung des Arbeitsamtes bedeutet, da eine feste Stelle mit Hilfe einer ABM-Verlängerung mit Übernahmeverpflichtung zustande gekommen ist. Mit vorsorglich gekündigtem Stammpersonal werden auch alle Anträge auf ABM, SAM oder § 19 BSHG Stellen abgelehnt, da diese ohne Stammpersonal gar nicht bewilligt werden dürfen. Ohne diese Beschäftigten ist aber der Gesamtbetrieb nicht zu führen. Die gesamte Jahresplanung ist damit gegenstandslos, so dass es völlig sinnlos erscheint in dieser Situation über Soll- und Istwerte auf Quartalsebene und Abweichungen von den Zielen mit der kmb GmbH zu reden.
(...) Solange über der Beratung der kmb die Überschrift Schließung und Abwicklung steht, wie sie sich jetzt mit der Aufkündigung des Vertrauensschutzes darstellt, werden Sie sicher verstehen, dass die Kultureinrichtungen dieser Beratung (gemeint sind die Workshops, Anm. d. Red.) miss-trauisch gegenüber stehen und niemand Ihre und Herrn Hellers Beteuerung, es handele sich um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, glauben kann.
Das Vertrauen der Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden in die Politik ist gründlich zerstört. (...)
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