: Berliner Politiker unter Strom
Affären? Ja! In der Hauptstadt fallen sie allerdings eine Nummer kleiner aus ■ Von Dorothee Winden
Buletten. Ausgerechnet Buletten, dieses kulinarisch recht bescheidene Gericht, bringen den früheren Berliner Wirtschaftsstaatssekretär Dieter Ernst (CDU) jetzt in Bedrängnis. Denn die Buletten, die Ernst an seinem 50. Geburtstag am 13. Februar 1999 den hundert geladenen Gästen auftischte, wurden vom Obermeister der Fleischerinnung, Uwe Bünger, geliefert. Eine Rechnung oder einen Zahlungsbeleg hat Ernst bislang nicht vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Vorteilsannahme.
Ernst bestreitet die Vorwürfe. Gegenüber dem Tagesspiegel sprach er von einer „infamen Geschichte, die jeder Grundlage entbehrt“.
Berlin hat nun seine Glo.gowski-Affäre, allerdings im Miniaturformat. Der niedersächsische Ministerpräsident, der über seine Selbstbedienungsmentalität stürzte, hatte sich außer Kaffee- und Freibier-Spenden von Markenfirmen immerhin auch eine Reise zur exklusiven Opernaufführung „Aida“ in Ägypten bezahlen lassen. In Berlin dagegen geht es nur um Buletten und ein paar Würstchen. Und eine Rechnung von 1.400 Mark.
Auch im Skandal zeigt sich Berlin von seiner kleinbürgerlichen Seite. Den Berliner Politikern mangelt es an Format, und ihre Affären haben kein Niveau. Immerhin hat Berlin auch eine Flugaffäre zu bieten: SPD-Senator Peter Strieder ließ sich im Mai 1998 bei einer gemeinsamen Dienstreise nach Moskau vom Berliner Unternehmer Peter Dussmann in dessen Firmenjet mitnehmen. „Das war eine Ersparnis für den Landeshaushalt“, verteidigte sich Strieder. Auch zwei weitere Berliner Politiker waren bei Informationsreisen im Charterflugzeug des Recyclingunternehmens Alba gratis befördert worden. Die Mitflieger verstießen zwar nicht gegen Vorschriften, doch mussten sie sich vorhalten lassen, dass sie zur Wahrung der politischen Unabhängigkeit auf eine solche Gefälligkeit besser verzichtet hätten. Dies bleibt jedoch weit hinter den regen Flugaktivitäten der nordrhein-westfälischen Spitzengenossen zurück, die regelmäßig Chartermaschinen der WestLB nutzten – sogar zu privaten Anlässen. Zudem wurden die Flugkosten aus der Gewinnausschüttung der WestLB an das Land Nordrhein-Westfalen beglichen.
Eine Bagatelle sind die Berliner Mini-Affären dennoch nicht. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass Ernst die Buletten nicht bezahlt oder womöglich ohne Rechnung bezahlt hat, muss er sich wegen Vorteilsannahme verantworten. Und auch SPD-Senator Peter Strieder, der inzwischen zugegeben hat, bei einem Pressefest im vergangenen September eine Geschenktüte mit einem „Palm V Organizer“ angenommen zu haben, hat gegen Vorschriften verstoßen. Das 900 Mark teure Präsent hätte er nicht annehmen dürfen. Die Obergrenze liegt für Amtsträger bei 50 Mark.
Doch was einen Strieder mit den Genossen Schleußer und Glogowski verbindet, ist das mangelndes Bewusstsein für die Grenzen des Erlaubten. Zwei Berliner CDU-Politiker hatten „aus Instinkt“ ein Angebot Dussmanns, mitzufliegen, ausgeschlagen. Und Strieders Ausrede, der Kleincomputer liege unbenutzt in seinem Büro, klingt verdächtig nach Bill Clinton. Der US-Präsident bekannte einst, gekifft zu haben. Er habe aber nicht inhaliert, versuchte er sich zu rechtfertigen.
Doch droht in dem aufgeheizten Klima der CDU-Spendenaffären und der WestLB-Flugaffäre zuweilen das rechte Maß verloren zu gehen. Der Tagesspiegel prangerte in seiner Mittwochsaussgabe an, dass Strieders Senatsbaudirektor Hans Stimmann bei der Bewerbung um eine Sechszimmerwohnung bevorzugt worden sei. Das Ganze entpuppte sich als Ungeschicklichkeit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo, die einem anderen Bewerber eine mündliche Zusage gegeben hatte, dann aber Stimmann den Zuschlag gab. Der stand schließlich schon seit 1991 auf der Warteliste für eine große Altbauwohnung, nachdem er sich – wie viele andere Bürger – darum beworben hatte. Wer dies beanstandet, verlangt im Grunde, dass leitende Beamte des öffentlichen Dienstes gar nicht mehr Mieter bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft sein dürfen. In einen solchen moralischen Rigorismus wollte auch der Tagesspiegel nicht verfallen. Kritisiert wurde lediglich, dass der Senatsbaudirektor „das gewisse Gespür verloren“ habe.
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