„Frösche waren wohl billiger“

„Magnolia“-Regisseur Paul Thomas Anderson über biblische Plagen und Pressefragen

taz : Haben Sie sich ein bisschen wie ein biblischer Gott gefühlt, als Sie in „Magnolia“ Frösche regnen gelassen haben?

Paul Thomas Anderson: Klar fühlt man sich einfach großartig, wenn man so etwas hinkriegt, diese digitalen Effekte sind einfach Wahnsinn. Wir hatten nur sieben Froschmodelle, die sich zum Teil auch bewegen konnten, und der Computer macht daraus mit einem Mausklick eine Million. Katzen und Hunde hätte ich auch lustig gefunden, aber Frösche sind wahrscheinlich billiger. Egal.

Die Special-Effects-Experten am Computer mögen sich wie Gott vorgekommen sein, aber mir ging es nicht um biblische Katastrophen und Strafen. Oder wenn, dann nur als sehr ironisches und sehr oberflächliches Spiel.

Sie brauchten aber ein Donnerwetter, damit ihre Figuren innehalten und ihr Leben ändern.

Ja, die Geschichte musste einen metaphorischen Null- oder Wendepunkt haben, damit alle endlich anfangen, ehrlich und authentisch zu werden. Es sollte etwas sein wie diese Großstadtmythen, die man mit bedröhntem Kopf in irgendwelchen Bars aufschnappt.

Etwas, das zugleich möglich und unglaublich ist. Froschregen gibt es ja tatsächlich. Um Weihnachten herum soll es einen in England gegeben haben. Solche Phänomene hängen mit irgendwelchen Windhosen und Stürmen zusammen. Für mich war das eine ganz empfindliche Stelle in dem Film. An diesem Punkt der Geschichte geht es für alle um alles. Um Verzweifelung, Aufgabe oder Weiterleben und- lieben. Das wollte ich nicht versauen.

„Magnolia“ ist ein Film über verlorene Väter, Söhne und Töchter, die sich, wenn überhaupt, erst am Sterbebett versöhnen. Recht moralisch für einen 29-Jährigen ...

Ich denke, meine Figuren erkennen, dass es nichts Wichtigeres gibt, als zu dem Menschen zu stehen, den man liebt. Wenn das moralisch ist, okay. Für mich ist die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit und Liebe nun einmal das Wichtigste im Leben. Und nirgendwo fand ich das klarer und direkter als in den Songs von Aimee Manns (der den Soundtrack schrieb, d. Red.). Da heißt es einfach „Why would I love anyone, when all it means is torture?“ Alles steckt in solchen Zeilen. Wenn Sie so wollen, ist „Magnolia“ eine einzige Adaption dieser Lieder.

In einem Interview mit dem „New York Times Magazine“ sagten Sie, dass Sie alles, worüber Sie sich sonst eher schämen, in diesem Film ausdrücken würden.

Alles Quatsch. Das New York Times Magazine lügt wie gedruckt. Was daran stimmt, müssen Sie selbst herausbekommen.

Das versuche ich gerade ...

Es steckt alles im Film. Jeder ist sich vermutlich schon mal wie dieses neunmalkluge Kind vorgekommen, das sich krumm legt, um seinem Vater zu imponieren, sich vor lauter Erfolgsdruck völlig danebenbenimmt und auf die Studiositze pinkelt. Was mir davon besonders nahe ist, mich vielleicht sogar an persönliche Peinlichkeiten erinnert, werden Sie hier aber nicht von mir hören.

Hatten Sie die Sorge, das Publikum würde „Magnolia“ vor allem als Tom-Cruise-Film sehen?

In nicht ganz unwesentlichen Teilen ist „Magnolia“ natürlich auch sein Film. Und wenn jemand ruft: „Das ist der neue Tom-Cruise-Film!!!“, dann soll mir das recht sein – deswegen gehen ja nicht weniger rein. Eigentlich hatte ich eher Sorge, die Presse könne meinen Film als reinen Tom-Cruise-Streifen verkaufen. Aber was passiert in Interviews? Wir sprechen zuallererst über Frösche.

Interview: Birgit Glombitza