Zwischen Balkonien und Balearen

■ Weniger, kürzer, bescheidener: Deutsche sparen auch am Urlaub, hat eine Tourismus-Analyse herausgefunden

„Luxese“ und „Lifeseeing“ heißen die neuen Urlaubs-Trends, die der Hamburger Professor Horst W. Opaschowski in seiner zehnten gesamtdeutschen Tourismus-Analyse ausgemacht haben will: Heuer Askese auf dem eigenen Balkon, und im kommenden Jahr Luxus-Urlaub. Verzicht aufs Mittelmaß, aber nicht Verzicht auf die Urlaubsreise. Für junge Leute werde hingegen immer mehr das zum Statussymbol, was man hinterher von einer Reise berichten kann. Höhepunkte aus Kultur, Sport und Unterhaltung sind wichtig: „Lifeseeing statt Sightseeing“, nennt Opaschowski das. Außerdem beobachtet er bei einigen durchaus „Mut zur Billigreise“, bevor der Urlaub ganz flach fällt.

Wichtigster Trend, so die Analyse des Hamburger Freizeit-Forschungs-Instituts der British American Tobacco (BAT), ist das Dreifach-Sparen: weniger und kürzer Verreisen und im Urlaub bescheidener Leben. Der Drei-Wochen-Urlaub, den „Arbeitsmediziner vor Jahrzehnten empfohlen haben, kann sich nur noch jeder sechste Deutsche leisten“, sagt Opaschowski. Von den 5000 Deutschen über 14 Jahren, die die BAT befragt hat, sind 1999 52 Prozent verreist, in diesem Jahr will nicht einmal mehr die Hälfte wegfahren. Darunter leiden besonders deutsche Reiseziele. „Deutschland droht, Kurzurlaubsland zu werden“, sagt Opaschowski. An Nord- und Ostsee bleiben die Urlauber nur noch zwei Wochen, im Schwarzwald und in Bayern um die zehn Tage. Urlaub in Deutschland finden immer weniger Deutsche attraktiv: Nur 35 Prozent. 1996 waren es noch 41 Prozent. Trotzdem ist Deutschland noch immer beliebtes-tes Reiseziel der Deutschen.

Knapp dahinter folgt Spanien: „Das Land scheint auf zweistellige Zuwachsraten programmiert“. Fast jeder sechste von denen, die Urlaub gemacht haben, hat ihn 1999 auf Balearen, Kanaren oder auf dem spanischen Festland verbracht. „Das macht den anderen europäischen Ländern schwer zu schaffen“, sagt Opaschowski und vermutet, dass die vorhandene Infrastruktur der Grund ist, dass die Deutschen lieber nach Spanien als nach Italien, Griechenland, in die Türkei oder nach Tunesien reisen.

Was Deutsche im Urlaub wollen, hat die Analyse auch herausgefunden: Schöne Landschaft ist das Wichtigste, danach kommen gesundes Klima, gutes Essen. Und dann folgen Sauberkeit und eine „gemütliche Atmosphäre“. „Das Bedürfnis nach emotionalen Erlebnissen wächst“, sagt Opaschowski. Und: Wohlfühlen statt Wohlstand ist Trend. Statt in ein Kino sollte mancher Fremdenverkehrsort deshalb lieber in Fortbildungen für freundlichere Mitarbeiter investieren.

Sandra Wilsdorf