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Ein Streit „zur völligen Unzeit“

Schönbohm stieß im Herbst die tote Debatte um die Fusion Brandenburgs mit Berlin neu an. Jetzt wird er ihr nicht mehr Herr

Der Mann kennt die Vorneweg-Verteidigung. Forsch, wie es seiner Art entspricht, holte der neue Innenminister Brandenburgs, Ex-General Jörg Schönbohm (CDU), nach den Landtagswahlen im Herbst ein tot geglaubtes Thema erneut auf die politische Tagesordnung: die schon einmal gescheiterte Fusion von Berlin und Brandenburg. Mit markigen Worten für eine Länderehe wollte er offenbar frischen Wind in die Debatte bringen. Er erntete aber Sturm.

In seiner Potsdamer Landesregierung, einer aus Not geborenen großen Koalition zwischen der wieder erstarkten CDU und der SPD von Landesvater Manfred Stolpe, hat Schönbohm einen heftigen Koalitionsstreit entfacht. Der SPD-Landeschef Steffen Reiche, zugleich Bildungsminister am Kabinettstisch Stolpe, polterte nach Schönbohms Vorschlag los: „Zur völligen Unzeit“ habe seine Ministerkollege diese Debatte losgetreten. Die CDU des Landes ballerte dagegen: Reiches Argumente seien „unsinnig und hilflos“.

Dabei geht es scheinbar nur um das Datum eines neuen Anlaufs zu einer Fusion: Während Schönbohm zackig 2004 für ein neues Bürgervotum für die Vereinigungspläne ins Spiel gebracht hatte, sah Reiche im Jahr 2009 den frühest möglichen Zeitpunkt für eine Länderehe. Eine Abstimmung, so schränkte er ein, könnte allerdings schon im Jahr 2006 laufen.

Es ging also nur um zwei Jahre – warum eskalierte der Streit dennoch? Wahrscheinlich, weil die Nerven bei diesem Thema bloß liegen. Die erste Abstimmung über den Zusammenschluss der beiden Länder, die zweifellos eine Region sind, war am 5. Mai 1996 mit 62,7 Prozent Nein-Stimmen am Widerstand der Wähler in Brandenburg gescheitert. Stolpe stand kurz davor, das Handtuch zu werfen: Ein erneuter Anlauf zur Länderehe, das galt als ausgemacht, werde es erst geben, wenn er nicht mehr im Amt sein würde. Ein Fernziel Brandenburgs, das stellte Stolpe jedoch damals klar, werde die Fusion bleiben.

Auch in Berlin ist man in Mehrheit dieser Meinung, schob die Debatte jedoch erst mal wieder auf die lange Bank. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ließ sich den für seine Verhältnisse schon wagemutigen Satz entlocken: „Ich halte 2009 für ein realistisches Ziel.“ Sein Koalitionspartner SPD wollte sich nicht auf ein Datum festlegen, nur darauf: 2004 sei zu früh. Der Joker in diesem Spiel ist, wie schon oft, die PDS. Ihr Widerstand gegen die Länderehe hatte vor vier Jahren einen großen Anteil am Scheitern der Fusionspläne. Lothar Bisky, brandenburgischer Fraktions- und Bundeschef der PDS, hat das Ja seiner Genossen für die Fusion signalisiert – jedoch gewarnt, solche Pläne dürften nicht zu früh in Angriff genommen werden. Denn: Die Stimmung im Lande sei noch nicht danach.

Nach dem Motto „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis“ sprach sich die PDS für eine Enquete-Kommission der beiden Landesparlamente aus. Die sollte vor einer Fusion erst einmal prüfen, wie die Zusammenarbeit schon jetzt ohne Länderehe zwischen Mark und Metropole zu verbessern wäre.

Immerhin: In einer Woche wollen die Potsdamer Minister kabinettsintern Vorschläge zur Zusammenarbeit mit den Berliner Kollegen vorlegen. Anfang März sollen dann die beiden Landesregierungen gemeinsam tagen. Doch Konkretes ist davon in Sachen Fusion nicht zu erwarten. Oder – um es Schönbohm-like zu sagen: So schnell schießen die Preußen nicht. Philipp Gessler

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