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Richterschelte für Justizbehörde

■ Justizbehörde handelt riskant: Eingriff in Gewaltenteilungsprinzip gefährdet Bernsteinzimmer-Prozess / Grüne fordern Aufklärung von Justiz-Staatsrat: Rechtswidriges Verständnis?

Um ein Haar hätte Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer den Bernsteinzimmer-Prozess zum Platzen gebracht. Nur wackere Richter verhinderten, dass der aufwendige Prozess mit bislang über 14 Verhandlungstagen neu aufgerollt werden musste. Denn tatsächlich hat die Behörde versucht, in die Unabhängigkeit des Gerichtes einzugreifen – so jedenfalls die Stellungnahme des Gerichts zum Befangenheitsantrag gegen zwei Richter, den Verteidiger und Ex-Innensenator Ralf Borttscheller gestellt hatte.

Zum Eklat war es vor wenigen Wochen gekommen. Medienwirksam hatte der Verteidiger im Verfahren ums wertvolle Mosaik ein Schreiben der Justizbehörde an die erste Strafkammer des Landgerichts präsentiert. Darin hatte die Behörde angefragt, wie es um die „Geschäftslage der Strafkammer 1“ bestellt sei. Klartext: Wie viel unerledigte Verfahren es gebe, wie es mit der Arbeitsauslastung stehe – und welche Maßnahmen der Dienstaufsicht gegen RichterInnen geboten seien. In einem weiteren Schreiben hatte es sogar geheißen: „Das in der Resteliste zur laufenden Nummer 1 aufgeführte Verfahren („Bernsteinzimmer“) gibt Anlass zur Sorge schon wegen der zeitlichen Dimension: Auch wenn es sich um ein schwieriges Verfahren handelt (...) stellt sich nach mehr als 16 Monaten (...) die Frage, ob die volle Funktionsfähigkeit des Spruchkörpers gewährleistet ist.“

Dies seien „Angriffe auf richterliche Unabhängigkeit“, hatte Borttscheller gewettert – und jetzt in der Sache Recht bekommen. Ausgerechnet von der Kammer, die über den Befangenheitsantrag entscheiden musste. Zwar stellte die Kammer „einen unzulässigen Versuch der Einflussnahme durch die Justizbehörde“ fest. Dennoch lehnte sie den Befangenheitsantrag ab: Die Richter seien „der Einflussnahme nachweislich entgegengetreten“.

Tatsächlich haben die beiden betroffenen Richter sich intern im Gericht und schriftlich gegenüber der Behörde gegen deren Ansinnen verwahrt. So heißt es in einem Antwortschreiben an die Behörde: „Die völlig ungerechtfertigten Verdächtigungen und Kritik dürften einer Motivation und dem Arbeits-einsatz nicht besonders förderlich sein.“ Die Richterkollegen schlossen, die abgelehnten Kollegen hätten sich nicht beeinflussen lassen.

Besonders kritisch hatte die Kammer zuvor den Umstand gewürdigt, dass die Justizbehörde auch nach dienstrechtlichen Maßnahmen gefragt hatte. Dass „auch ausdrücklich die Möglichkeit dienstaufsichtsrechtlicher Mittel zu Diskussion gestellt wird, lässt den Willen der Justizverwaltung hinreichend deutlich werden, auf diesem Wege das Verhalten der betroffenen Richter unmittelbar zu beeinflussen.“ Insofern seien die Angaben der Behörde selbst, es habe sich um eine allgemeine Anfrage nach der Geschäftslage gehandelt, nicht einleuchtend. Außerdem sei ja – wie von Borttscheller moniert – tatsächlich nach ausgewählten Verfahren – eines das Mosaik betreffend – gefragt worden.

Fragen stellen jetzt auch die Grünen. Ihr justizpolitischer Sprecher, Hermann Kuhn, fordert in der heutigen öffentlichen Sitzung des Rechtsausschusses eine Erklärung dieses Verhaltens vom Senator für Justiz. „Dann wird sich herausstellen, ob dies mangelnde Sensibilität eines Staatsrates war oder ein neues – dann rechtswidriges – Verständnis seiner Dienstaufsicht.“

Eva Rhode

Rechtsausschuss, Bürgerschaft Raum 1, heute um 12 Uhr.

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