: Entschädigung: Wien gibt sich vorbildlich
Österreich macht gut Wetter und will Zwangsarbeiter „zügig“ entschädigen. Unbeliebt bleibt die Rechtsregierung trotzdem
Wien (rtr/taz) – Österreichs neue Rechtsregierung will nach den Worten von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Zwangsarbeiter aus der NS-Zeit rasch entschädigen. „Uns ist wichtig, dass wir rasch und zügig helfen“, sagte Schüssel gestern in Wien. Zur Höhe von Entschädigungszahlungen äußerte er sich nicht.
Nach Schätzungen einer unabhängigen Historikerkommission leben 55 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs von etwa 993.000 in Österreich eingesetzten Zwangsarbeitern noch rund 239.000. Für den Entschädigungsprozess ist die frühere Nationalbankpräsidentin Maria Schaumayer zuständig. Sie soll mit Vertretern der Wirtschaft und den Verbänden früherer Zwangsarbeiter verhandeln. Nach eigenen Worten strebt Schaumeyer eine außergerichtliche Lösung an.
Schüssel erklärte, die primäre Verantwortung liege bei der Wirtschaft, weil sie damals von den Zwangsarbeitern profitiert habe. Auch der Staat werde einen Beitrag zu den Entschädigungen leisten. Es sei nicht daran gedacht, sich an die deutsche Stiftung anzuschließen, sagte der ÖVP-Chef. Schaumayer sagte, die deutsche Regelung lasse sich nicht ohne Weiteres auf Österreich übertragen. So sei die Frage der Rechtsnachfolge bei den Unternehmen in Deutschland eindeutig, aber in Österreich nicht so leicht nachzuvollziehen. Auch sei die Republik Österreich nicht Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches.
In der Bundesrepublik ging unterdessen der Streit um den Umgang mit der Wiener Koalition weiter. Ex-Außenminister Klaus Kinkel (FDP) kritisierte in einer Aktuellen Stunde im Bundestag scharf die Haltung Deutschlands und der EU gegenüber Österreich. Der Rechtspopulist Jörg Haider sei „ein Schlimmer“. Daran gebe es keinen Zweifel. Doch man dürfe nicht wie das Kaninchen auf die Schlange blicken. Durch die Haltung der EU sei Haider aufgewertet worden.
Außenminister Joschka Fischer verteidigte in der Fragestunde die Isolierungspolitik der EU. „Meine Hauptsorge ist: Wer integriert wen?“, sagte Fischer im Zusammenhang mit dem Kräfteverhältnis von ÖVP und FPÖ. Fischer erklärte, es habe nichts mit einem kleinen oder großen Land zu tun. Die EU würde sich bei jedem anderen Land genauso verhalten. Der Opposition warf er vor, die EU-Politik gegenüber Österreich allein aus innenpolitischen Gründen anzugreifen.
Kanzler Gerhard Schröder (SPD) kritisierte erneut den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU). Stoibers Kurs würde dem Ansehen Deutschlands in der Welt schaden, sagte Schröder in einem Interview mit der Zeit. Stoiber hatte mit einer Einladung nach München Österreichs Kanzler Schüssel demonstrativ den Rücken gestärkt. „Stoibers Politik gegenüber der neuen österreichischen Regierung ist jenseits von Gut und Böse. Folgte man ihr, würde Deutschland international isoliert.“
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