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Frischzellenkur wieder erlaubt

■ Karlsruhe kippt eine Verbotsverordnung gegen die „Revitalisierungstherapie“ mit Zellen aus Schafsföten. Ex-Gesundheitsminister Seehofer war für das Verbot nicht zuständig

Freiburg (taz) – Die umstrittene Frischzellentherapie bleibt in Deutschland vorerst weiter zulässig. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht auf Klage von vier betroffenen Ärzten. Das 1997 erlassene Verbot wurde allerdings nur aus formellen Gründen beanstandet.

Bei der Frischzellentherapie injizieren Ärzte ihren Patienten einen Zellcocktail, den sie aus Organen und Geweben ungeborener Schafe gewinnen. Versprochen wird dabei eine allgemeine „Revitalisierung“ des Körpers. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Therapie vor drei Jahren durch eine Verordnung verboten. Er stützte sich dabei auf ein Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, wonach die alternative Therapieform „zu keinem nachweisbaren Nutzen für die Patienten“ führe, aber „mit möglichen gravierenden gesundheitlichen Risiken verbunden“ sei. Es seien allergische Reaktionen bis hin zu tödlichen Schocks zu befürchten.

Gegen diese Einschätzung wehrten sich die betroffenen Ärzte zwar auch. Erfolg hatte ihre Klage aber allein aus formellen Gründen. Der Bund war für ein Verbot nämlich überhaupt nicht zuständig, wie der erste Senat des Verfassungsgerichts jetzt entschied. Seehofer hätte seine Verordnung nicht auf das Arzneimittelgesetz stützen dürfen, hieß es, da die aus Schafsföten gewonnenen Infusionslösungen nur für spezielle Ärzte hergestellt und nicht „in den Verkehr“ gebracht werden.

Die Besonderheit der Frischzellen besteht darin, dass die Arznei von den Ärzten selbst hergestellt und den Patienten dann unmittelbar injiziert wird. Es gibt also keine Abgabe der Präparate an Dritte oder einen Handel mit ihnen. Das Gericht betonte, dass es gestern keinerlei Entscheidung über die gesundheitlichen Bedenken getroffen habe, die der damalige Gesundheitsminister Seehofer geäußert habe.

Zuständig sind nun die Bundesländer. Sie werden sich vermutlich erst einmal untereinander absprechen, ob und wie sie gegen die Frischzellen-Kliniken vorgehen wollen. Gegen Seehofers Verordnung hatten sie weder inhaltliche noch formelle Einwände gehabt.

Völlig überraschend kam der Spruch aus Karlsruhe allerdings nicht. Schon kurz nach dem Verbot hatte das Bundesverfassungsgericht per einstweilige Anordnung entschieden, dass die Ärzte bis zum endgültigen Urteil weiter praktizieren dürfen.

In Deutschland gibt es derzeit knapp ein Dutzend Sanatorien, die sich in großem Stil der Frischzellentherapie verschrieben haben. Die meisten liegen in Bayern. (Az.: 1 BvR 420/97)

Christian Rath

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