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Streit um die Rolle des Außenseiters

Bei den Vorwahlen im US-Bundesstaat South Carolina fällt die Vorentscheidung über den Kandidaten der Republikaner. Populär ist es, gegen das Establishment anzugehen ■ Aus Washington Peter Tautfest

Die heutigen Vorwahlen in South Carolina könnten die politische Landschaft der USA nachhaltig verändern. Ritualisiert wie Amerikas Politwettkämpfe sind, spülen sie doch immer wieder völlig neue Leute in den Vordergrund, und periodisch durchbricht dabei ein Kandidat die Routine dieser Schaukämpfe, für den sich eigentlich nur eine Minderheit interessiert, und beflügelt die Phantasie der ganzen Nation. Vor acht Jahren war das der texanische Milliardär Ross Perot, dieses Jahr ist es der Vietnamveteran und Kriegsheld John McCain, dessen Thema die Käuflichkeit der US-amerikanischen Politik ist.

In South Carolina entscheiden heute die Wähler darüber, ob der von den republikanischen Kurfürsten des Landes designierte Kronprinz George Bush, Sohn des ehemaligen Präsidenten Bush, Bannerträger der Partei wird oder sein weißhaariger Herausforderer Senator John McCain, den noch vor einem Monat außerhalb seines Heimatstaats Arizona kaum jemand kannte und der buchstäblich über Nacht zum David wurde, der den Goliath des Establishments herausfordert.

McCain versteht es, die Hoffnungen zu mobilisieren

Am 1. Februar schlug bei den Vorwahlen in New Hampshire McCain den Gouverneur von Texas unerwartet hoch mit 19 Prozent Vorsprung. Das war eine Sensation. Bush junior, den eine Mehrheit der republikanischen Gouverneure, Senatoren, Repräsentanten unterstützt und der in Rekordzeit die Rekordsumme von 70 Millionen Dollar Wahlkampfspenden einnahm, seit er im Sommer vergangenen Jahres seine Kandidatur erklärt hatte, unterlag einem Kandidaten, der weder den Parteiapparat auf seiner Seite noch viel Geld in seiner Wahlkampfkasse hatte. Aber McCain verstand es, Hoffnungen zu mobilisieren – vor allem bei Neuwählern und Leuten, die den Glauben an den demokratischen Prozess verloren hatten.

Und nun South Carolina: Der Staat gilt als Hochburg der christlichen Rechten und des Militärs – Stammwähler der Republikanischen Partei, die jeder der beiden mobilisieren muss. South Carolina hat seit Jahren die Rolle übernommen, aufkommende republikanische Rebellen zu stoppen. So unterlag hier vor vier Jahren der in New Hampshire siegreiche Rechtsaußen Pat Buchanan dem späteren Kandidaten der Partei, Bob Dole. South Carolina, das sollte eigentlich Bush-Territorium sein. Bush aber muss um sein politisches Überleben strampeln.

Nach seiner Niederlage in New Hampshire eilte Bush an die christliche, private Bob-Jones-Universität, die ihre Bundesförderung wegen ihrer Rassenpolitik verlor – Bob Jones verbietet gemischtrassige Verhältnisse zwischen Studenten und Studentinnen –, um sich der Rechten anzudienen. McCain sucht seine Anhänger vor allem bei pensionierten und aktiven Soldaten, aber auch bei Jungwählern.

Bush, der sich bisher als Republikaner der Mitte präsentierte, versucht jetzt McCain als verkappten Demokraten anzuschwärzen und in die linke Ecke zu drängen. Zur neuen Strategie gehört auch, von seinem Rivalen nur noch als „Chairman McCain“ zu sprechen, womit er auf dessen Rolle als Washington-Insider und Vorsitzender des Handelsausschusses im Senat aufmerksam machen will, der selber Wahlkampfspenden von Interessengruppen angenommen hat – und zwar von solchen, deren Belange vor seinem Komitee verhandelt werden. Bush hat jetzt selber eine Reform der Wahlkampffinanzierung vorgestellt, die im Wesentlichen auf eine Neuformulierung der bestehenden Verhältnisse hinausläuft.

Und Bush pocht auf seine Austiner Postleitzahl und versucht sich als neuer Mr. Smith zu präsentieren, der aus der Provinz nach Washington kommt, um dort aufzuräumen. So zanken sich zwei Mitglieder der politischen Kaste – der eine kommt aus einer politischen Dynastie, der andere ist eine Institution im Senat – darum, wer von beiden der Außenseiter ist.

Und das ist nicht die einzige Absurdität dieses Wahlkampfs. Bush. dessen Aufgabe es eigentlich war, der republikanischen Partei ihre rechten Ecken und Kanten zu nehmen und eine republikanische Partei mit menschlichem Antlitz zu schaffen, versucht in South Carolina rechter zu sein als sein sehr konservativer Gegner. McCain gehört in der Tat zu den konservativsten Mitgliedern des Senats, zieht aber auch Demokratische und parteilose Wähler an.

Von allen Kandidaten verstand es McCain bisher auch am besten, das Internet zu nutzen und darüber Geldspenden und vor allem junge Freiwillige anzuziehen, die ein Gegengewicht zu Bushs gut geölter Parteimaschine bilden.

South Carolina hat wie New Hampshire so genannte offene Primaries, sodass auch Demokraten und Parteilose bei den Republikanern abstimmen können. Und etliche werden das zu Gunsten McCains tun, weil er sich mit dem Establishment seiner eigenen Partei angelegt hat. Und McCain ist es, der die Fleischtöpfe seiner notorisch von Spendern bevorzugten Republikaner höher hängen und die Wahlgeschenke der Abgeordneten an reiche Spender unterbinden will – unter Senatskollegen hat er den Spitznamen „der Sheriff“.

Während McCain die Leidenschaften all derer entfacht, die eine saubere Demokratie wollen, weckt Bush eher die Emotionen der Clinton-Hasser, die dessen Ära beendet sehen wollen. So stehen sich im Wahlkampf McCain vs. Bush der Abscheu vor dem korrupten Washingtoner System und der Hass auf Clinton und alles, was sich mit seiner Regierung verbindet, gegenüber.

Demoskopen glauben zu wissen, dass von den Kontrahenten keiner einen messbaren Vorsprung hat. Sollte Bush auch diese Wahl verlieren, stellt sich für das republikanische Establishment die Frage, ob sie mit Bush nicht aufs falsche Pferd gesetzt hat. McCain aber kann sie eigentlich nicht unterstützen. So würde aus McCain ein durchaus veritablerAußenseiter – wie 1992 Ross Perot.

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