Herta und Henry helfen mit Hollywood

Justizministerin Herta Däubler-Gmelin ist modern. Zusammen mit Ex-Boxweltmeister Henry Maske und HollywoodstarDenzel Washington unterstützt sie werbewirksam eine Hilfsaktion für gefährdete Jugendliche ■ Von Isabelle Siemes

Berlin (taz) – Justitia erstrahlte in Blau. Die ausladende Treppe im Berliner Amtsgericht Tiergarten war in oranges Kerzenlicht getaucht. Statt drögen Gesetzeslitaneien dröhnte Popmusik durch den gründerzeitlichen Protzbau. Alles war gerichtet für einen Empfang à la Hollywood. Sogar die profanen Metallabsperrgitter waren mit purpurnem Samt bemäntelt. Dahinter harrte die Presse, die gelegentlich vom Catering-Personal mit Häppchen gefüttert wurde. Die zähen Lammspießchen mit klebriger Bananensoße und die Krabben in pappigen Blätterteigtörtchen besänftigten die gereizte Stimmung allerdings nicht. Denn die gesamte Prominenz kam eineinhalb Stunden zu spät.

Endlich wehte das Dreigestirn in den Saal: Herta Däubler-Gmelin, Henry Maske und Denzel Washington, der, wie es sich für einen Hollywoodstar gehört, die Justizministerin und den Ex-Boxweltmeister zunächst im Four Seasons Hotel hatte warten lassen. Auch sonst kam alles ganz anders. Statt sich werbewirksam auf der hergerichteten Treppe zu positionieren, trat das Trio direkt vor die Pressebarriere. Die Fotografen fluchten, denn im Hintergrund war keine illuminierte Justitia, sondern ein Häuflein Sekt schlürfender Empfangsstatisten in schwarzen Designerklamotten. Die Rundfunkjournalisten waren sauer, da Däubler-Gmelin, Maske und Washington nur wie Fische im Aquarium den Mund auf und zu machten, denn die Musik knallte in unverminderter Lautstärke weiter.

Henry Maske schließlich erfasste die schwierige Situation und ging zum Winken über. Die Justizministerin lernte schnell und hob auch die Hand zum Winkewinke. Dann noch ein Gruppenbild: Die beiden Jungs posierten rechts und links der zierlichen Ministerin und hielten schützend ihre Fäuste vor sie. Zehn Filmkameras surrten, zwei Dutzend Fotografen ließen ihre Blitzlichter spielen. Noch nie stand eine Justizministerin so im Rampenlicht. Für den Star aus der US-Traumfabrik allerdings war die Pressebesetzung enttäuschend schmal.

Der Grund für das bizarre Zusammentreffen von Politik und Glamour war das ernsthafte Anliegen, straffällige und gefährdete Jugendliche zu unterstützen. Bei der Synergie-Hilfsaktion „Faire Chancen“ wird es am 29. Februar in 20 Städten Charity-Vorführungen des Films „Hurricane“ mit Denzel Washington geben. Die Erlöse fließen in den Henry-Maske-Fonds, der Jugendprojekte unterstützt. Schirmherrin Däubler-Gmelin ist begeistert: „Der Ausnahmeboxer ist Idol und Vorbild für viele Jugendliche. Dass sein Fonds auch von Hollywoodstar Denzel Washington unterstützt wird, finde ich bewundernswert.“ Der Film beruht auf der wahren Geschichte des Boxers Rubin „Hurricane“ Carter, der 1966 zu Unrecht wegen dreifachen Mordes verurteilt wurde. 22 Jahre kämpfte er für seine Unschuld. Schließlich wurde das Urteil aufgehoben, weil es auf Falschaussagen und rassistischen Vorurteilen beruhte. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde Carter Anwalt. Der Film mit Denzel Washington als aufrechten Rubin Carter ist ein Rührstück in Political Correctness. Deshalb eignet sich der Streifen auch weniger für Cineasten, sondern mehr für die Tränendrüse und den guten Zweck.

Guttaten verfolgt der aus dem Ring gestiegene Boxstar Henry Maske mit seinem im Sommer vergangenen Jahres gegründeten Fonds. Beim Empfang im Amtsgericht erklärte er der taz über das Trenngitter hinweg seine Motivation: „Ich habe mit sieben Jahren begonnen, zu boxen. Mir haben immer Menschen weitergeholfen.“ Andere Kinder würde diese Erfahrung nicht machen und denen wolle er helfen.

Der Maske-Fonds ist bei der „Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe“ (DVJJ) angesiedelt, in der sich Richter, Polizisten und Sozialarbeiter engagieren. Der seit 1917 bestehende Verein und Henry Maske vergeben die Fondsgelder für Projekte, die mit gefährdeten Jugendlichen arbeiten. So wurde etwa in Kassel ein fehlender Boxring für ein Jugendprojekt finanziert. Bernd-Rüdeger Sonnen, Professor für Strafrecht und Vorsitzender des DVJJ, freut sich über das Zugeld in Zeiten starker Sozialkürzungen und lobt Maskes persönlichen Einsatz: „Er hat sogar schon Jugendliche im Gefängnis besucht.“

So pompös das vom Filmverleih Buena Vista ausgerichtete PR-Spektakel im Amtsgericht inszeniert war, so schnell war es vorbei. Anderthalb Stunden Warten für eine Viertelstunde Wichtig, das war auch den Vippis zu viel. Der Saal leerte sich rasant. Glücklich gelang es der taz, noch eine persönliche Note von Däubler-Gmelin zum Boxer-Stelldichein zu erhaschen: „Für mich ist Boxen nicht die geeignete Sportart“, gestand die Ministerin und entschwand.