piwik no script img

Landesvater Eberhard Diepgen mit DDR-Ergebnis

Der CDU-Chef schimpfte beim Landesparteitag auf die „Idioten“ und wurde mit einem Traumergebnis belohnt

Der Parteitag kannte nur ein Thema, und es gab nur einen Hauptdarsteller. Das Drehbuch trug den Titel „Spendenaffäre“, die tragende Rolle war mit Eberhard Diepgen besetzt, und beide trafen sich in einer spröden Zahl: Mit einer Mehrheit von fast 90 Prozent bestätigten die Delegierten des CDU-Parteitags ihren Landesvorsitzenden am Wochenende im Amt. Vor zwei Jahren hatte sich Diepgen mit blamablen 62,6 Prozent begnügen müssen – doch die äußere Not hat die Reihen wieder geschlossen.

In einer bejubelten Rede versuchte Diepgen die CDU als Partei von jeder Verantwortung für das Spendensystem Helmut Kohls rein zu waschen. „Wir lassen uns doch unseren Stolz nicht nehmen, weil einige Idioten Unsinn gemacht haben“, rief Diepgen unter frenetischem Beifall aus. Als er pflichtgemäß Helmut Kohls historische Verdienste lobte, rührte sich dagegen keine Hand zum Applaus.

In der Frage des Bundesvorsitzes sprach sich Diepgen klar gegen die bisherige Generalsekretärin Angela Merkel aus. In der Spendenaffäre habe „die schrittweise Aufklärung die öffentliche Diskussion nicht erleichtert“, kritisierte er die Informationspolitik Merkels. Die Generalsekretärin sei eine „beachtliche Frau“, aber es gebe „Gott sei Dank nicht nur einen Kandidaten“.

Zum neuen Generalsekretär der Landespartei wählten die Delegierten den 42-jährigen Europaabgeordenten Ingo Schmitt. Mit nur 62,3 Prozent hatte er ein noch schlechteres Ergebnis als Diepgen beim letzten Parteitag. Schmitts Kandidatur war im Vorfeld heftig umstritten: Diepgen hatte den konservativen Charlottenburger Kreisvorsitzenden nominiert, um seine Kritiker aus dem Kreis „Union 2000“ einzubinden. Doch sind sich die Diepgen-Gegner längst nicht mehr einig; viele von ihnen sehen in Schmitt einen Renegaten, der ihre Interessen nicht mehr ausreichend vertritt. Schmitt selbst versicherte hingegen: „Ich werde nicht vergessen, woher ich komme.“ Allerdings strebe er eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Landesvorsitzenden“ an.

Als neuer Hoffnungsträger des Diepgen-Flügels wurde dagegen der Reinickendorfer Abgeordnete und Jungunternehmer Frank Steffel in den Kreis der sieben Diepgen-Stellvertreter gewählt. Schon im – freilich noch etwas ungehobelten – Auftreten lässt Steffel erkennen, dass er dereinst durchaus in die Fußstapfen von Fraktionschef Klaus Landowsky treten könnte. Rechnen darf Eberhard Diepgen auch auf seine Stellvertreter Joachim Zeller, den Bezirksbürgermeister von Mitte, und Ex-Staatssekretärin Verena Butalikakis. Als Diepgen-kritisch gelten dagegen der JU-Chef Kai Wegner, die Stadträtin Ines Saager aus Prenzlauer Berg und der Abgeordnete Stefan Schlede.

Gleichwohl hatten sich Vertreter von „Union 2000“ im Vorfeld des Parteitags unzufrieden mit dem Personalpaket gezeigt, es dann aber doch geschluckt: Auf dem Parteitag kamen alle Kandidaten durch.

„Wen wählen wir?“: Diese Frage, von Delegierten an ihren jeweiligen Leithammel gerichtet, war oft zu hören. Sie wurde mehrheitlich im Sinne der Parteiführung beantwortet. Diepgens alter Kampfgefährte Peter Kittelmann, der das Personalpaket geschnürt hatte, lief mit Pokerface durch die Reihen und beobachtete mit Genugtuung, wie die Rechnung aufging.

Kritik übte lediglich der Bundestagsabgeordnete Günter Nooke, der in einer kaum beachteteten Rede mehr Offenheit und Diskussionskultur verlangte. Mit stillem Befremden beobachtete dagegen die neue Kultursenatorin Christa Thoben das Treiben. Weil die Westfälin noch nicht Mitglied der Landespartei und daher keine Delegierte ist, wurde eigens für sie ein Tisch in vorderster Reihe aufgestellt. Einen Kommentar wollte Thoben, die im Gegensatz zu Diepgen Merkels Aufklärungskurs unterstützt, aber nicht abgeben: „Dazu kenne ich die Berliner Partei zu wenig.“

Ralph Bollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen