: Bernsteinzimmer-Prozess: Notar „schuldig“
■ 90.000 Mark Geldstrafe für beschuldigten Notar – auf Bewährung / Stein-Mosaik aus dem Bernsteinzimmer nicht „gutgläubig ersessen“ / Gericht nahm dem Notar seine Naivität nicht ab
Der inzwischen 62-jährige Mannhard K. sei „schuldig“, urteilte gestern das Bremer Landgericht, allerdings sei das nachweisbare Vergehen durch eine vergleichsweise geringe Geldstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, hinreichend geahndet. Der Anwalt und Notar habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass sein Mandant das Stein-Mosaik aus dem Bernsteinzimmer des Zarenpalastes nicht „gutgläubig ersessen“ hatte, der Verkauf also Betrug gewesen wäre.
Das Bild war offenkundig von dem Wehrmachtssoldaten Ackermann beim Rückzug der Nazi-Armee mit nach Bremen genommen worden; jedenfalls lagen bei dem Bild, das sich jahrelang in einer Wohnung im Bremer Steintor-Viertel befunden hatte, Fotos von ihm in Uniform vor dem Katharinen-Palais, in dem sich das Mosaik befunden hatte. Die frühere Frau des angeblich gutgläubigen Erben hatte bestätigt, dass die Fotos mit dem Schwiegervater immer bei dem Mosaik gewesen waren, ihr Mann habe ein großes Geheimnis um das alte Steinmosaik gemacht.
Dem erfahrenen Anwalt und Notar, der sich für den Verkauf engagiert hatte, nahm das Gericht die gutgläubige Naivität nicht ab; dass er mit dem „Besitzer“ des Steinmosaiks unter einer Decke gesteckt und die Ausrede mit dem „Ersitzen“ verabredet worden sei, sei aber nicht nachweisbar.
Strafmindernd werte das Gericht die Tatsache, dass die Enkeltochter des Soldaten und mögliche Erbin eine erhebliche Geldsumme für den Verzicht auf ihre Ansprüche auf das Bild bekommen hat, während der Notar für dasselbe Ansinnen bestraft werden sollte. Mit einer Spende des Bremer Handelskammer-Präses Bernd Hockemeyer war der möglichen Erbin ihre Ansprüche „abgekauft“ worden, damit nicht für die Rückgabe des Mosaiks an Russland ein langwieriges Verfahren abgewartet werden muss.
Denn zu Ende ist der Prozess mit dem gestrigen Urteil längst nicht. Verteidiger Ralf Borttscheller wird voraussichtlich bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gehen, um das Urteil anzufechten – schon um für seinen Mandanten Zeit zu gewinnen. Der derzeit 62-Jährige muss nach dem Rechtskräftigwerden des Urteils um seine Zulassung als Anwalt und Notar fürchten.
Borttscheller stützt sich in seiner Revision insbesondere auf den Eindruck, dass das Justizressort Druck auf das Gericht ausgeübt haben könnte. In einem Brief hatte Staatsrat Ulrich Mäurer ziemlich direkt die lange Verfahrensdsdauer moniert und mögliche dienstrechtliche Konsequenzen für die Richter angesprochen. Ein Interview im Weser Report vom Sonntag, in dem sich Justizsenator Henning Scherf (SPD) voll hinter seinen Staatsrat stellt, erhöht nach Borttschellers Auffassung die Chancen, dass der BGH die Sorge der Befangenheit anerkennt. Borttscheller freute sich geradezu über die Scherf-Stellungnahme für seine Revisionsbegründung: „Es besteht danach sogar Wiederholungsgefahr.“
Wann das Bild nun zurückgegeben werden kann, ist noch nicht klar. Das Land Brandenburg hat Mitte 1999 auf einen Hinweis der Bundesregierung hin das Bild zum „national wertvollen Kulturgut“ erklärt, obwohl es nie hoheitlich-deutsch oder in Berlin war. Inzwischen ist die Bundesregierung aber bereit, die Rückgabe zuzulassen – allerdings soll die Rückgabe erst an den neu gewählten Präsidenten Russlands erfolgen, um den Vorgang diplomatisch mehr ausschlachten zu können.
K.W.
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