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Nur ohne Damenbonus

Der Verteidigungsminister trifft auf Soldatinnen und staunt: Die wollenals Soldat behandelt werden – nicht als Frau ■ Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Drei giggelnde Soldaten vor einem Laptop: „Tolle Fotos!“ Offizierskasino, Julius-Leber-Kaserne, Berlin-Tegel. „Hier bekommen Sie schon mal einen Vorgeschmack zum Thema Frauen in der Bundeswehr“, sagt der Presseoffizier und meint, er mache einen Witz. Auf den Fotos sind Soldatinnen zu sehen. Mit Uniform.

Abgelichtet wurden sie, weil dieser Termin hier eine Premiere ist. Zum ersten Mal traf Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) am Dienstagabend in der Berliner Kaserne auf den weiblichen Teil seiner „Jungs“. Vier Stunden lang bepfeffern zwei Dutzend Soldatinnen ihn mit ihren „spezifischen Berufserfahrungen“. Und der Minister kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Wir wollen Gleichberechtigung“, feuern die jungen Frauen ihm entgegen. Was sie damit meinen, ist nicht etwa eine Quote oder Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung. „Wir wollen nicht 25 Kilometer laufen, wenn die Männer 30 machen müssen“, fordert Nina Gabriel, Feldwebel in Rennerod im Westerwald, „wenn es zum Einsatz kommt, kann man auch keine Rücksicht nehmen.“

Streng an ihrer Eignung wollen die Soldatinnen gemessen werden. Diskriminiert fühlen sie sich nur dadurch, dass sie ihren männlichen Kollegen ihre Leistungen nicht beweisen können – die dann weiterhin auf dem Klischee der schwachen Frau herumreiten. „Sie wollen auch nicht, dass ihnen die Tür aufgehalten wird“, wundert sich der Verteidigungsminister. Und Oberfeldwebel Uta Paproth bestätigt die erwünschte Einebnung aller geschlechtsspezifischen Rollen: „Hier interessiert keinen, ob du dich vor dem Spiegel zwei Stunden geschminkt hast. Hier wirst du nicht als Frau behandelt, sondern als Soldat.“ Soldatin sein – das würde einen minderen Status bedeuten. „Keine Quoten, keine Schutzzäune, keine Sonderregelungen“, fasst Scharping zusammen und kann nicht verhehlen, dass er beindruckt ist. Stattdessen wollen die Frauen, dass auch ihre Vorgesetzten trainiert werden: Sie sollen sich abgewöhnen, Frauen einen Damenbonus einzuräumen.

„Ich wollte schon immer Soldat werden“, bekennt Nina Gabriel. Am liebsten würde sie „mit einer MiG rumfliegen“. Ihre beiden älteren Brüder sind Soldaten, „das hat geprägt“. Durch deren Erfahrungen hat Gabriel auch gewusst, was auf sie zukommt. Andere Frauen, die sich verpflichten, sitzen unter Umständen bald in der Falle. Während Männer sich im Laufe ihres Wehrdienstes orientieren können, sind Frauen auf die Informationen der Anwerber angewiesen. „Sie werden nach drei Tagen vereidigt, und dann hängen sie drin. Es gibt einige, die da todunglücklich werden“, berichtet eine Soldatin. Wenigstens Praktika sollten die Frauen machen können, fordern die Soldatinnen.

Scharping lauscht und staunt. Gründe, warum man nicht alle Verwendungsbereiche öffnen sollte, fallen ihm auch nicht mehr ein. Da die Frauen sich so praktisch auf die Bundeswehr einstellen, scheint die Einstellung der Bundeswehr auf die Frauen kein größeres Problem zu sein.

Ob denn auch lesbische Offizierinnen bei der Bundeswehr als Ausbilder arbeiten dürften, wird Scharping noch gefragt. Da druckst der Verteidigungsminister. Wahrscheinlich müsse man die Frage der sexuellen Orientierung und sexuellen Belästigung und wie man damit umgehe insgesamt noch mal zu einem Thema machen, ringt er sich ab. Bei aller Anpassung: Die Frauen werden die Bundeswehr doch verändern.

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