: Geld her!
Willi Lemke, Ex-Fußballboss und heute Chef der Kultusminister, sucht wieder Sponsoren – für Schulen ■ Von Christoph Dowe
Bremen (taz) – Der neue Senator bekam einen gehörigen Schrecken, als er vor knapp einem Jahr seine Besuchstour durch alle Bremer Schulen begann. Er sah, was er nicht für möglich gehalten hatte: Mobiliar aus der Gründerzeit. Schulbücher, die man nicht mehr in die Hand nehmen mag. Dauertropfen von der Klassenzimmerdecke. Und desillusionierte Lehrer: „Wenn ich in die Gesichter gucke“, fiel dem Bildungssenator auf, „dann fällt mir nichts mehr ein. Die sind so kaputt, ausgebrannt, fertig.“
Und das passierte ausgerechnet Willi Lemke. Jenem Mann, der als Manager einst aus der grauen Bundesliga-Maus Werder Bremen einen Dauer-Titelaspiranten formte. Die Richtung für den in die Politik gewechselten Treibauf ist klar: erste Liga. Ganz oben. „Ich muss die Schulen aus der Agonie herausführen“, sagt er, „nicht nur in Bremen, sondern bundesweit.“
Lemkes Aufstiegsprogramm für Bildung ähnelt dem des Bundesligisten Werder: Sponsoren müssen her. Über Kooperationen mit der Wirtschaft soll frisches Kapital für die bauliche und pädagogische Restrukturierung der Schulen hereinkommen.
Der 53-Jährige geht das Thema auf allen drei möglichen Ebenen an: In Bremen trieb er die konkrete Zusammenarbeit einzelner Schulen mit Unternehmen an. Parallel dazu propagiert er eine „Stiftung bremisches Schulwesen“. Inzwischen aber ist Lemke Präsident der Kultusminister – und prompt schlug er seinen verdutzten Kollegen vor, auch im Bund eine Stiftung zu gründen, die zusätzliche Mittel für das marode Schulwesen einsammeln soll.
Veraltete Bausubstanz. Fehlende Bücher. Unterrichtsmangel oder kein Geld für das Landschulheim – eigentlich könnte sich die Stiftung überall engagieren, meint Lemke. Den ersten Verbündete, neben den Kultusministern, fand er in dem Bankier Hilmar Kopper. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank will weitere Kontakte in die Wirtschaft vermitteln. Zustimmung erhält der Senator aber auch von einer höchst illustren Koalition: Wirtschaftslobbyisten wie die Arbeitgebervereinigung oder der Bundesverband der Deutschen Industrie finden seine Idee des Bildungssponsorings genauso gut wie die linke Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Die Stiftung, so baut Lemke dem wichtigsten Einwand vor, sollte nicht die so genannte Regelfinanzierung des Bildungswesens ersetzen, die für Personal, Miete und Lehrmaterial also. Die Stiftung soll die „Sahnehäubchen“ besorgen.
Doch das Geldeinsammeln für Schulen ist komplizierter als das für einen Bundesligisten. „Als Werderaner konnte ich immer etwas zurückgeben: Werbefläche oder Übertragungsrechte“, sinniert Lemke über den geringen Tauschwert, den er zu bieten hat. „Diesmal aber suche ich Mäzene, keine Sponsoren.“ Der bremische Senator für Bildung ist trotzdem vom Erfolg des neuen Mäzenatentums überzeugt. Die Wirtschaft soll dem Staat bei einer öffentlichen Aufgabe unter die Arme greifen, so meint er, das widerspreche keinesfalls dem Profitstreben von Unternehmern. „Denn wenn langfristig das Bildungsniveau sinkt, sinkt auch unsere Konkurrenzfähigkeit“, denkt Lemke wie ein Personalchef.
In der Hansestadt geht das Konzept bereits auf, das Lemke nun im Bund einführen will. Schulen können direkt Verträge mit Sponsoren abschließen. Das Sponsoring reicht von kostenlosen Schulheften, auf denen Werbung aufgedruckt ist, über die Kooperation mit einem Fahrradhändler bis hin zur Zusammenarbeit mit dem lokalen Energieanbieter.
Die DaimlerChrysler Aerospace (Dasa) zum Beispiel, die in Bremen Raumfahrttechnik montiert, spendierte zwei von der Behörde ausgesuchten Bremer Schulen gerade 25 nagelneue Computer, Tische und Farbdrucker – samt Wartung. Das Dasa-Logo taucht nirgends auf. 300.000 bis 400.000 Mark habe er bei den Raumfahrern langfristig locker gemacht, schätzt Spendensammler Lemke.
Die bremischen Erfahrungen mit privatem Kapital für öffentliche Schulen sind gut. Einen Korb will sich der umtriebige Senator bei seinen Kooperationsanfragen in der Wirtschaft noch nie geholt haben. „Ich kenn’ die doch alle aus meiner Werder-Tätigkeit“, berichtet Lemke. Im Bund wird das wohl schwieriger werden.
Bislang gibt es nämlich kein Konzept für die Stiftung, die bis Ende des Jahres gegründet sein soll. Trotzdem erwartet er sich von der Wirtschaft eine Menge Geld – einen achtstelligen Beitrag. Das ist beinahe verwegen. Aber so ist Lemke: „Ich setze mich selbst unter Erfolgsdruck“, argumentiert er, „meinen Sie etwa, ich möchte mich blamieren?“
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