: Europarat gibt sich in Grosny devot
■ Menschenrechtsbeauftragter Gil-Robles besucht die tschetschenische Hauptstadt. Kämpfe im Süden der Kaukasus-Republik dauern an. Präsident Wladimir Putin verlangt eine Überprüfung des Falles Babizki
Moskau/Grosny (AFP/rtr/dpa) – Der militärische Widerstand der Tschetschenen wird nach Einschätzung der russischen Armee immer schwächer. Das sagte der Vizekommandeur des russischen Kaukasus-Kommandos, General Gennadi Troschew, gestern dem Menschenrechtskommissar des Europarates, Alvaro Gil-Robles, bei dessen Besuch in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Gil-Robles besuchte als erster offizieller westlicher Vertreter das kriegszerstörte Grosny. Während er die Militärkommandantur des Lenin-Stadtteils und eine Suppenküche besichtigte und mit Menschen auf der Straße sprach, dröhnte unweit die Sprengung eines schwer zerstörten Hauses, berichtete Interfax. Ein Soldat in der Begleitung Gil-Robles' wurde von einem Trümmerteil leicht verletzt. Der Vertreter des Europarates dankte General Troschew für die Möglichkeit, Grosny zu besuchen und „einen Eindruck von dem Schmerz und dem Leiden zu bekommen, die für gewöhnlich den Krieg begleiten“.
Unterdessen gingen die Kämpfe um das Tal des Flusses Argun und den Ort Schatoi in den Bergen der Kaukasus-Republik mit unverminderter Heftigkeit weiter. Dort ist die letzte große Bastion der Rebellen, in der 1.700 bis 2.000 Mann vermutet werden. Die tschetschenische Seite bestätigte nach Angaben der Agentur Interfax heftige russische Angriffe auf Aslambek-Scheripowo und andere Dörfer im Kessel von Schatoi.
Angesichts der nur zögerlichen Fortschritte im Kampf gegen die Rebellen im Süden gab Moskau die Bildung einer neuen Einheit bekannt. Sie soll den Kampf gegen die Separatisten in der Argun-Schlucht aufnehmen.
Russlands amtierender Präsident Wladimir Putin wies das Innenministerium und die Justiz an, den Fall des 40 Tage lang verschollenen regierungskritischen Journalisten Andrej Babizki zu überprüfen. Laut Interfax sagte Putin, er sei mit der derzeitigen Inhaftierung des Korrespondenten, der für Radio Free Europe berichtete, nicht einverstanden. In diesem Fall müsse streng nach Recht und Gesetz verfahren werden. Er sei nicht der Ansicht, dass der Korrespondent hinter Gittern bleiben sollte. Babizki sei „vollkommen desorientiert“. Babizkis Anwalt Alexander Sasulia sagte, er werde gerichtlich gegen die Inhaftierung seines Mandanten in Dagestan vorgehen. Babizki sei eine längere Haft nicht zuzumuten. Der Journalist war in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala festgenommen und am Sonntagabend offiziell wegen Besitzes eines gefälschten Passes angeklagt worden. Seinem Anwalt zufolge wurde ihm das Dokument „mit Gewalt“ aufgedrängt.
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