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Auf der Suche nach neuen Partnern

Die FDP hat die Wahl gewonnen. Regieren darf sie trotzdem nicht. Jetzt fordern Spitzenliberale wieder Koalitionen mit der SPD

Am Tag danach schwelgte der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt in Superlativen: Seine Partei werde jetzt „die flotteste, die gradeste, die kontrollierteste Partei Deutschlands mit einem freiheitlichen Appeal“. Er gab offen zu, dass die FDP in Schleswig-Holstein vom Spendenskandal der CDU profitierte. Und so soll es auch weitergehen: Die Liberalen wollten auch in Zukunft „ein neues Publikum erreichen, das vielleicht früher CDU gewählt hat“.

Auch FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle lebte sichtlich auf, als er nach einer Serie von verheerenden Wahlniederlagen endlich wieder seine Lieblingsrolle spielen durfte – den jugendlichen Strahlemann: „Wir haben die Wahl gewonnen“, jubilierte er am Sonntagabend, und seine Parteifreunde klatschten ausgelassen. Die FDP konnte ihren Stimmenanteil von 5,6 auf 7,6 Prozent verbessern. Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki war trotzdem der Verlierer des Tages. Weil er sich vor Monaten auf eine Koalition mit der CDU festgelegt hatte, muss er nun zusehen, wie SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis mit den Grünen an einer Neuauflage der alten Regierung bastelt.

Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Möllemann wird diesen Fehler nicht nachmachen. Er kann getrost davon ausgehen, dass auch in NRW eine stattliche Zahl enttäuschter CDU-Wähler ihr Kreuzchen bei der FDP machen wird. Möllemann wird sich nicht auf eine Koalitionsaussage festlegen: „Im Augenblick neige ich dazu, mich von beiden fern zu halten“, verkündete er am Sonntagabend. Auch Westerwelle tönte: „Die FDP ist in erster Linie Freiheitspartei und erst dann Koalitionspartner von irgendjemandem.“

Wolfgang Kubicki, setzt sich wie Möllemann für eine strategische Öffnung seiner Partei ein. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2002 sagte er, 80 Prozent des Schröder-Blair-Papiers seien aus dem FDP-Programm abgeschrieben. Deshalb, so Kubicki, „wäre es Quatsch, wenn man nicht an die Zusammenarbeit mit der SPD denkt“. Unerwartete Rückendeckung bekamen Kubicki und Möllemann von ihrem Ehrenvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff. Er, der Anfang der 80er Jahre die Wende der Liberalen zur Union einleitetete, rät nun zur Halse: Die CDU sei komplett von der Rolle, verkündete der Graf. Die SPD werde deshalb noch lange regieren, brauche dafür aber einen starken Partner – dies könne „die FDP sein, die gegenwärtig von der Misere der CDU profitiert“.

Die Grünen reagieren nervös auf dieses Szenario. Sie wissen, dass NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement jederzeit mit einer erstarkten FDP zusammengehen würde. Und dass selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder Rot-Gelb nicht abgeneigt wäre – auch wenn er zur Zeit immer wieder das Gegenteil beteuert. Mit dem momentanen FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt wird eine Kehrtwende zurück zur SPD nicht zu machen sein. Sein Stuhl wackelt jedoch bereits heftig. Kubicki und Möllemann warfen ihm jüngst eine „schlappe Haltung“ gegenüber der hessischen Landesvorsitzenden Ruth Wagner vor, die nicht von der Koalition mit Roland Koch lassen will. Auf dem Landesparteitag der hessischen FDP am kommenden Sonnabend müsse er kompromisslos die Führungsfrage stellen, forderte Mölleman Gerhardt auf. Sollte sich Gerhardt mit seiner Position nicht durchsetzen, wirft er möglicherweise das Handtuch. Das Festhalten der hessichen FDP am Koalitionspartner CDU könnte so paradoxerweise den Weg für eine rot-gelbe Koalition auf Bundesebene frei machen.Tina Stadlmayer

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