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„Schulkampf“ in Bayern klar verloren

Für das Volksbegehren „Die bessere Schulreform“ sprachen sich nur die Hälfte der erforderlichen zehn Prozent der Wahlberechtigten aus. CSU-Ministerin fühlt Rückenwind

Nürnberg (taz) – Die von Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier zum „Schulkampf“ hochstilisierte Auseinandersetzung um die Einführung der sechsstufigen Realschule (R 6) im Freistaat ist verloren. Das von über 40 Organisationen getragene Volksbegehren „Die bessere Schulreform“ mobilisierte statt der erforderlichen 10 Prozent nur 5,7 Prozent der 8,9 Millionen Wahlberechtigten. Damit kommt es nicht zu einem Volksentscheid über die flächendeckende Einführung der R 6 – einer Schulform, der immerhin 508.000 Bürger eine eindeutige Absage erteilt haben.

Hohlmeier genoss sichtlich ihren Triumph. Viele Eltern hätten eben „die Möglichkeiten und Chancen, die die Bildungsoffensive Bayern bieten“ würde, erkannt. Hohlmeiers Staatssekretär Karl Freller sprach von einer „klaren Niederlage für die Opposition“. Er frohlockte, dass „die Alt-68er bei diesem Volksbegehren über ihre eigenen Bärte gestolpert“ wären.

Ein solch alter „Bart“ ist für die bayerische Staatsregierung die „Aufbaustufe“ für die Klassen 5 und 6, mit der Gewerkschaften, SPD, Grüne sowie Lehrer- und Elternverbände den „Auslesedruck an den Grundschulen entschärfen“ und „Spätentwicklern eine Chance geben“ wollten. Die Entscheidung für Gymnasium, Real- oder Hauptschule sollte demnach für alle Kinder, die nicht schon nach der 4. Klasse aufs Gymnasium wechseln, erst nach der 6. Klasse erfolgen. Staatsregierung und Philologenverband witterten dahinter den Versuch, die „gescheiterte Gesamtschule“ durch die Hintertüre einführen zu wollen.

Während die am Volksbegehren beteiligten Organisationen nun ihre Wunden lecken, wird Hohlmeier mit dem Rückenwind aus dem Wählervotum neue Projekte, wie eine individualisierte Grundschulzeit je nach Leistung und Begabung, noch schneller vorantreiben. SPD-Chefin Renate Schmidt sieht mit dem Misserfolg des Volksbegehrens die Chance, die bestmöglichen Zukunftschancen für Kinder dauerhaft zu thematisieren, „auf Jahre hinaus vertan“.

Für ihre Niederlage machten die Träger des Volksbegehrens auch die teuren Werbekampagnen der CSU („Für unsere Kinder das Beste“) und des Kultusministeriums verantwortlich. Gleichzeitig musste sich die SPD gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, sie hätte das Volksbegehren nur halbherzig unterstützt. „Wenn etwas in Bayern schief geht, dann ist es mit Sicherheit immer die SPD gewesen“, klagte entnervt Münchens SPD-Chef Franz Maget. Verloren wurde das Volksbegehren in den bayerischen Städten.

In München unterschrieben gerade mal 3,7 und in Nürnberg 5,3 Prozent. Hier schlug zu Buche, dass es den Initiatoren nicht gelungen ist, auch kinderlose Erwachsene oder Eltern, deren Kinder die Schulzeit schon hinter sich haben, für ihr Anliegen einzunehmen. In ländlichen Regionen fand das Volksbegehren mehr Unterstützung. Kein Wunder, hatten dort doch viele Eltern Angst, die neue sechsstufige Realschule würde den wohnortnahen Hauptschulen den Garaus machen. Viele Kommunalpolitiker, darunter auch langjährige CSU-Bürgermeister, befürchteten zudem, für die neuen Realschulbauten ihren sowieso schon angespannten Kommunalhaushalt belasten zu müssen.

Bernd Siegler

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