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Haider geht. Sein Schatten bleibt

■ Jörg Haiders Rücktritt vom Vorsitz seiner FPÖ beeindruckt die anderen 14 EU-Staaten eher gar nicht: Kontakte mit Österreich bleiben eingefroren. Der Rechtsaußen will immer noch Kanzler werden

Berlin (taz) – Die Gerüchte haben sich bewahrheitet: Jörg Haider, 50, ist am Montagabend vom Vorsitz der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) zurückgetreten. Zu seiner Nachfolgerin bestimmte er seine bisherige Stellvertreterin, die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Sein Rücktritt, sagte Haider in der Nacht zu Dienstag, bedeute nicht seinen Rückzug aus der Politik. Er könne sich vorstellen, als Kanzlerkandidat zurückzukehren.

Im In- und Ausland war man sich gestern darin einig, dass sich an der Politik der FPÖ und am Einfluss Haiders auf die Partei trotz seiner gegenteiligen Behauptung wenig ändern werde. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer vermutete eine „Doppelstrategie“ Haiders. Er wolle die Freiheit gewinnen, als Kärntner Landeshauptmann gegen die Bundesregierung Opposition zu spielen und so seine Startposition für den nächsten Kanzlerwahlkampf stärken. Alexander van der Bellen, Chef der grünen Nationalratsfraktion, sprach von „einer typischen Haider-Pflanzerei, einem politischen Trick“.

Auch die Regierungen der Europäischen Union, die seit Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich so frostig wie möglich gestalten, sehen durch Haiders Rücktritt keine wesentliche Veränderung. Portugals Ministerpräsident Antonio Guterres sagte, das Problem sei „nicht Jörg Haider, sondern das, wofür seine Partei steht“. In Berlin sagte Andreas Michaelis, Sprecher des Auswärtigen Amtes, die Bundesregierung sei skeptisch, ob mit dem Rücktritt „die begründeten Sorgen“ der 14 EU-Staaten aus der Welt geschafft seien. Lediglich der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, wollte in Haiders Rücktritt eine „möglicherweise positive Entwicklung“ sehen. Er bedeute „für die neue österreichische Regierung eine Chance, sich von Herrn Haider zu emanzipieren“. Daher würde sich für manches EU-Land die Möglichkeit ergeben, die Sanktionen gegen Österreich zu beenden.

Tatsächlich hat Haider die EU-Regierungen mit seinem Rücktritt unter Zugzwang gesetzt. Denn die Sanktionen sind nicht mit dem Regierungsprogramm der FPÖ/ÖVP-Koalition begründet, sondern mit der Beteiligung der FPÖ unter Jörg Haiders Führung. Und die ist nun, formal wenigstens, zu Ende. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, dass in die Position der EU Bewegung kommt.

Bernd Pickert

Schwerpunkt Seite 2

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