: Mehr ausländische Fachkräfte erwünscht
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt räumt Versäumnisse der deutschen Industrie bei der Ausbildung von Spezialisten ein. Vertreter aller Parteien wollen nun ein Einwanderungsgesetz ■ Von Tina Stadlmeyer
Berlin (taz) – „Es geschehen Zeichen und Wunder“, freut sich die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck von den Grünen: „Plötzlich reden alle über Zuwanderung, sogar Herr Hundt.“ Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte in der Financial Times Deutschland vereinfachte Arbeitsgenehmigungen nicht nur für Computerspezialisten, sondern auch für „hochspezialisierte Facharbeiter“ und Ingenieure. Besonders in Bayern und Baden-Württemberg gebe es einen Mangel an qualifizierten Facharbeitern und Ingenieuren, zum Beispiel im Maschinenbau, in der Automobil- und der Chemieindustrie.
Hundt gab zu, dass es die Wirtschaft Anfang der 90er-Jahre versäumt habe, genügend Fachkräfte auszubilden. Er forderte die Bundesregierung auf, unbürokratische Verfahren für Unternehmen zu schaffen, die ausländische Fachkräfte ins Land holen wollen: „Ich bin für klar konditionierte Einwanderungsregeln nach US-amerikanischem Muster.“
„Herr Hundt hat Recht, wenn er das Ganze auf grundsätzliche Füße stellen will“, meint Marieluise Beck. Wenn er jetzt wie Bundeskanzler Schröder eine Green Card für spezialisierte Arbeitskräfte wolle, bedeute das: ein unbefristetes Niederlassungsrecht. Beck befürchtet, dass Schröder und Hundt bei ihrer Forderung nach einer Green Card etwas anderes meinen könnten: eine befristete Arbeitserlaubnis für Spezialisten, die nur gelten soll, solange sie gebraucht werden. Das, so die Ausländerbeauftragte, werde nicht funktionieren, denn viele Angeworbene „werden nicht mehr zurückgehen können oder wollen“. Früher oder später müsse ein Einwanderungsgesetz her, das die bereits existierenden „verstreuten Paragraphen“ im Arbeits- und Ausländerrecht zusammenfasst und „die gewollte Zuwanderung von Arbeitskräften“ und „humanitäre Zugänge“ regelt, meint Beck.
Auch der Migrationsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Eckhardt Barthel, ist der Meinung, dass eine befristete Zuwanderung „nicht funktioniert“. Die Bundesregierung müsse jetzt Konsequenzen „aus der falschen Einwanderungspolitik der 60er-Jahre“ ziehen und ein „neues Einwanderungskonzept erarbeiten“. Der alte Gesetzentwurf der Grünen sei dafür keine gute Grundlage, weil er den Bedarf an spezialisierten Fachkräften noch nicht berücksichtige. Barthel reagiert skeptisch auf den Vorschlag von Arbeitgeberpräsident Hundt, nicht nur Informatiker, sondern auch qualifizierte Facharbeiter nach Deutschland zu holen: Das würde den Konkurrenzkampf unter den weniger Qualifizierten erhöhen und das Lohngefüge durcheinanderbringen. „Ohne ein zukunftsfestes Gesamtkonzept können wir die Türe nicht einfach aufmachen.“
Auch die FDP fordert ein Einwanderungsgesetz „zur Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung“. Präsidiumsmitglied Leutheusser-Schnarrenberger sagt, ein solches Gesetz sei nicht nur wegen des Mangels an Spezialisten, „sondern generell angesichts des langfristigen Rückgangs der deutschen Bevölkerung notwendig“.
Sogar die Unionsfraktion im Bundestag will inzwischen über ein Einwanderungskonzept reden. Das kündigte der neue Fraktionschef Friedrich Merz am Dienstagabend an. Die liberalen Einzelgänger in der Fraktion, die das schon lange fordern, vernahmen es mit Erstaunen. Schließlich vertrat Merz bislang innenpolitisch stockkonservative Ansichten. „Vielleicht ist auch in unserer Fraktion eine Bewusstseinsänderung im Gange“, orakelt ein Unionsabgeordneter.
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