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Japaner scharf auf seltene Tiere

Japaner lieben Tiere, vor allem die, die unter das Artenschutzabkommen fallen. Illegale Importe boomen

Tokio (taz) – Masaru Watanabe starb Anfang Februar in einem tragischen Unfall. Als er einen bengalischen Tiger füttern wollte, griff das Tier an und biss zu. Der Todesfall in der privaten Tierproduktionsfirma Ikeda Animal Production von Tokio rief Japans Tierschützer und das für Tierimporte verantwortliche Ministerium für Industrie und Handel (Miti) auf den Plan. Der Tiger war nicht in der Importliste für geschützte Tiere aufgeführt, und die Firma Ikeda besaß keine Lizenz für die Haltung von Tigern.

Der tragische Zwischenfall warf ein Schlaglicht auf die lasche Haltung der japanischen Behörden, wenn es um den Schutz von bedrohten Tierarten geht. Der Hunger der Japaner nach geschützten Tierarten ist unstillbar. Die japanische Sektion von Traffic, der britischen Organisation für die Überwachung von Tierhandel, veröffentlichte im Januar eine aufschlussreiche Statistik. Danach ist Japan der weltweit größte Importeur von bedrohten Tierarten.

Die jüngsten verlässlichen Zahlen stammen aus dem Jahre 1996. Damals kauften die Japaner 29.050 oder rund 55 Prozent der weltweit gehandelten Schildkröten. Hisako Kiyono, die Sprecherin von Traffic Japan, erklärt die hohe Nachfrage nach bedrohten Tieren mit dem jüngsten Trend in Nippon, möglichst exotische Haustiere zu halten. Japan importierte auch seltene Vögel (43 Prozent), Affen (49 Prozent) sowie weltweit die meisten Bärenfelle, Krokodilhäute und Korallen.

Obwohl das Land 1980 die Washingtoner Konvention für den Schutz von bedrohten Tierarten (Cites) unterzeichnet hat, steht Japan im Ruf, die Konvention kaum einzuhalten. „Die Überwachung des Tierhandels ist völlig ungenügend“, kritisiert Masayuki Sakamoto, der Generalsekretär der Japan Wildlife Conservation Society. Derzeit könne jeder eine Tierhandlung ohne Lizenz eröffnen. Sakamoto fordert daher strengere Richtlinien im Kampf gegen den illegalen Tierhandel. Japan führte zwar 1993 ein Gesetz zum Schutz von bedrohter Fauna und Flora (LCES) ein. Es entspricht genau der Washingtoner Konvention, aber es fehlen klare Sanktionsklauseln, mit denen illegale Praktiken effizient bestraft werden könnten.

Die Importpraktiken Japans kontrastrieren scharf mit dem öffentlich vorherrschenden Selbstbild über den Umgang mit Tieren. Erst vor einer Woche verfolgte die Nation mit rührender Anteilnahme die Rettung eines verirrten Hais im Hafen der Industriestadt Nagoya. Gleichzeitig konsumiert das Land neben China die meisten Haifischflossen. Die japanische Walfangflotte ist eine der größten weltweit, und Japan ist das einzige Industrieland, das für einen begrenzten Handel mit Elfenbein aus Afrika wirbt. Da in Japan noch immer ein – meist aus Elfenbein geschnitztes – Siegel (Hanko) notwendig ist, um Dokumente zu unterschreiben, bleibe die Nachfrage groß, erklärt ein Sprecher der Vereinigung.

Andre Kunz

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