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Gedankenumfangen

Die „Ich Maschine“ läuft: Mit Morgan Fisher startet der Kunstverein eine neue Reihe  ■ Von Hajo Schiff

Dieses Jahr sieht düster aus für den Kunstverein: Da alle geplanten Kunstprojekte Film und Video nutzen, bleibt die obere Halle verdunkelt. Die vier Ausstellungen und mindestens 18 Veranstaltungen und Vorträge sind dabei – ähnlich dem früheren Projekt fast forward – unter ein gemeinsames Thema gestellt: „Ich Maschine“. Dahinter steht der Gedanke, dass das Subjekt sich der Mode, der Kunst und eben besonders des Films als Instrumentarium bedient, um sein spezifisches Selbst zu konstruieren.

Zudem versteht es Direktor Stephan Schmidt-Wulffen meisterhaft, den speziellen Aspekt der Filminstallation als eine nahezu notwendige Erweiterung des Kunstraumes darzustellen: „Die Entmaterialisierung der Werke macht aus dem weißen Ausstellungsbehälter einen Ort mit fließenden Grenzen, die vorübergehend durch die Projektionen fixiert werden. Der Besucher sieht sich nicht so sehr mit einzelnen Werken konfrontiert, sondern von einem Gedanken umfangen.“

Die jetzt im Kunstverein vermittelten Gedanken sind ein historischer Referenzpunkt für Wahrnehmungsschulung: Der kalifornische Filmemacher Morgan Fisher hat erstmalig acht seiner filmanalytischen Produktionen in einer Ausstellung inszeniert. In den teils auf Video kopierten, von 1968 bis 1984 produzierten Filmen wird dabei mit eher sprödem Humor die Wundermaschine Kino dekonstruiert. Das älteste Konzept muss dabei immer wieder neu gedreht werden: der Weg in den Vorführort als Film, der sich seiner Projektionswand immer weiter annähert, bis der gefilmte und der reale Ort des Bildes identisch werden.

Ebenfalls in einer einzigen Einstellung zeigt der knapp sechs Minuten lange Film „Cue Rolls“ den Durchlauf des Filmes durch einen vierbahnige Synchronisationsmaschine, in der er selbst mit äußerster mechanischer Präzision aus vier gleichlangen Teilen zusammenkopiert wurde – ein bei der kurzen Filmlänge von 40 Fuß gänzlich überflüssiges Unterfangen. So wird etwas sichtbar gemacht, das eigentlich dazu da ist, gerade auf keinen Fall bemerkt zu werden.

Eine filmische Performance ist der Textfilm „Projektion Instructions“, in dem der reale Filmvorführer alles an seinem Gerät ausprobieren muss, was verstellbar ist. In seinem längsten und narrativsten Film präsentiert Morgan Fischer auf einem Leuchttisch seine Lieblingsfilmschnipsel – und erzählt anhand einer Reihe von Anekdoten die ganze Geschichte Hollywoods. Was europäische Filmemacher wie Godard eher beiläufig als Selbstreflexion in ihre Arbeiten einfließen lassen, wird bei Morgan Fischer zum alleinigen Thema: In einem Vortrag über Bild und Ton werden diese asynchron oder fallen abwechselnd aus, und schließlich belegen abgefilmte Polaroids den Aufwand, den es macht, Polaroids abzufilmen.

Das kann wirklich niemanden gleichgültig lassen: Entweder flüchtet man nach knapp neun Minuten mit Grausen ob soviel fast 30 Jahre alter pädagogischer Demonstration, oder man entwickelt Interesse an den dargestellten Hintergründen. Dann keimt die Erkenntnis, dass derartige Analysen bis heute nichts an Gültigkeit verloren haben und dass die langsam alt werdenden Heroen jenes einstigen Aufbruchs mit ihrer Lehrtätigkeit an Hochschulen eben auch die jüngere Künstlergeneration beeinflussen. Allerdings funktioniert dergleichen nur als Kontextverschiebung: Für Cineasten ist das alles wahrlich nicht neu. Doch zumindest die alte Garde der Hamburger Filmemacher soll sich über die Ausstellung hoch erfreut gezeigt haben.

Auch in seinem letzten Jahr als Direktor beharrt Stephan Schmidt-Wulffen also auf einem strengen Diskursprogramm. Solche Konsequenz verdient Hochachtung, positioniert aber den Kunstverein weiterhin als ein hochintelligentes Forum interner Diskussion von wenigen Fachinteressierten, wie es vielleicht eher für eine bis heute leider nicht vorhandene Studiogalerie der Hochschule für bildende Künste angemessen und wünschenswert wäre.

Kunstverein in Hamburg, Klos-terwall 23, bis 26. März; „Ich-Maschine, ein Ausblick“: Vortrag von Stephan Schmidt-Wulffen am 16. März um 19 Uhr; Gespräch mit Morgan Fisher am 23. März um 19 Uhr

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