: Bach zu jazzig interpretiert
■ Hermann Rauhe, Chef der Hamburger Hochschule für Musik und Theater und Deutschlands dienstältester Hochschulpräsident, feiert heute 70. Geburtstag
Sein Einstieg in die Wissenschaft war ein Menetekel. Als sich Hermann Rauhe, heute dienstältes-ter Hochschulpräsident Deutschlands, kurz nach dem Krieg bei der Hamburger Hochschule für Musik und Theater bewarb, fiel er durch. Heute ist er ihr Präsident. Damals hatte er beim Vorspielen Bach zu jazzig interpretiert. „Das war zehn Jahre vor Jacques Loussier“, schmunzelt Rauhe heute. Aber er hat sich gerächt: durch Einführung eines Diplomstudiengangs „Jazz“ und indem er PopmusikerInnen an die Hamburger Musikhochschule holte.
Doch zunächst musste der junge Rauhe leiden: Widerstrebend ließ er sich von der Bundespost zum Beamten ausbilden, um bei nächs-ter Gelegenheit doch noch Musik zu studieren, fürs Lehramt. Rauhe liebt den Jazz. Als 14jähriger trommelte er in einer Swing-Band, während der Nazi-Zeit, als Swing eine Form jugendlichen Protests war. Doch noch zu Beginn von Rauhes Studium war die populäre Musik in Hamburg verpönt. „Da hab' ich gemerkt: Wenn ich was bewegen will, muss ich das begründen können“, erzählt der Professor. Zudem stellte er fest, dass den Schülern mit „ernster“ Musik nicht beizukommen war. Seine Examensarbeit schrieb er daher 1962 über „Musikerziehung durch Jazz“.
1965 erhielt er eine Professur für Musikwissenschaft und Musikpädagogik, 1970 kam eine Professur für Erziehungswissenschaft an der Uni Hamburg dazu. Eine glückliche Fügung in den Augen eines Wissenschaftlers, der glaubt: „Das Fächerübergreifende hat mich bestimmt.“ Nur wer gesellschaftliche und ethnologische Aspekte einbezieht und überlegt, warum Musik auf Menschen wirkt, kommt auf den Gedanken, Jazz sei die „soziologisch bedeutendere“ Musik und gründet dafür einen Studiengang.
Nachdem er 1978 erstmals zum Präsidenten gewählt worden war, führte er das „Kontaktstudium Popularmusik“ ein, das Popgrößen wie Ulla Meinecke und Peter Maffay mit Newcomern zusammenbringt. Er etablierte die Musiktherapie und die Musikmedizin an seiner Hochschule: Musik, um Kranken zu helfen, und um ProfimusikerInnen vor negativen Folgen ihrer körperlichen Höchstleistungen zu schützen.
Auch Kommerz schreckte den lebenslustigen Professor nicht. Den Aufbaustudiengang „Kulturmanagement“ hat er 1989 eingeführt, weil er OrchesterchefInnen, Intendanten und Musik-Manager ausbilden wollte, die nicht bloß auf den großen Reibach aus sind. Seine AbsolventInnen, so Rauhe, hätten zumindest alle vorher Musik studiert, ergo einen Sinn für das, was MusikerInnen umtreibt. Heute wird der Chef der Musikhochschule 70. knö
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