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Wirtschaft und Menschenrechte verbinden

Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz über die deutsche Iran-Politik und die Reise Fischers

taz: Zu Zeiten der christlich-liberalen Koalition kritisierten die Grünen den Kritischen Dialog mit Iran, und jetzt reist ein Grüner Außenminister nach Teheran und lädt den Präsidenten ein. Ist das nicht eine verkehrte Welt?

Ruprecht Polenz: Ich gebe zu, die Versuchung für die jetzige Opposition liegt nahe, der Regierung genau das vorzuhalten. Aber das wäre ein Fehler, weil sich im Iran in den letzten zwei Jahren einiges geändert hat. Dem muss natürlich auch die deutsche Politik Rechnung tragen.

Aber in Iran wird weiter gefoltert, Studenten werden verhaftet und zum Tode verurteilt.

Es gibt in Iran nach wie vor Bereiche, die der Regierungsgewalt entzogen sind: Dazu gehören die Justiz, die Geheimdienste, Teile der Sicherheitskräfte, die Armee. Dass muss man im Hinterkopf haben, wenn man bewertet, was Chatami erreicht hat. Gemessen an der Situation in anderen Staaten der Region gibt es meiner Meinung nach eine Menge positive Ansatzpunkte.

Der „kritische Dialog“ war ja gelinde gesagt ein Flop ...

Ja!

... Was waren die Hauptfehler der Iran-Politik unter Führung von Union und FDP?

Man hätte wirtschaftliche Fragen stärker mit politischen verbinden müssen, beispielsweise der Menschenrechte. Das ist seinerzeit abgelehnt worden, was uns herbe Kritik von den Amerikanern eingebracht hat. Ich hatte den Eindruck, manche im Außenministerium waren stolz, dass sie eine andere Politik formulierten als die Amerikaner.

Womit muss Fischer nun in Teheran rechnen?

Mit einer außerordentlich hohen Erwartung an die Zusammenarbeit mit Deutschland. In erster Linie bezieht sich das natürlich auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aber er sollte auch den von Chatami propagierten Wunsch nach Dialog der Kulturen aufnehmen. Fischer könnte zum Beipiel über die Frage der Wiedereinrichtung von Goethe-Instituten reden. Natürlich sind auch Menschenrechte anzusprechen, und zwar auch in Zusammenhang mit Wirtschaftsfragen. Denn man kann im Iran schon erklären, dass Unternehmen heute überall auf der Welt investieren können und dass sie an langfristigen Geschäften interessiert sind, die sich in einem Umfeld mit Rechtssicherheit besser abwickeln lassen.

In Ihrem Wahlkreis Münster wohnt ein Politiker, der in Iran ein und aus geht ...

(lacht) Ja.

Jürgen W. Möllemann. Über Menschenrechte oder Kulturaustausch ist von dem nichts zu hören.

Ich nehme an, dass er hauptsächlich zur Anbahnung von Wirtschaftskontakten unterwegs ist. Er hat einmal in einer kleinen Runde des Auswärtigen Ausschusses berichtet. Dabei hat er schon deutlich gemacht, dass er mit Chatami auch über politische Dinge geredet hat. Damals ging es auch um den Fall Hofer. Aber man darf in Iran nicht nur hinter verschlossenen Türen über Menschenrechte sprechen. Man muss es auch öffentlich machen. Letzlich geht es um eine Veränderung der Verhältnisse im Iran und nicht darum, die Debattenbedürfnisse hier in Deutschland zu befriedigen.

Interview: THOMAS DREGER

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