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Mit Punkband gegen Mai-Randale

Polizei gelobt Besserung zum 1. Mai: Polizeiintern soll eine Arbeitsgruppe den Sinn der Deeskalation erklären.Erlebnishungrige Jugendliche sollen mit Aktionen wie Streetballturnier und Livekonzert von der Straße gelockt werden

von PLUTONIA PLARRE

Die Berliner Polizei rüstet mit Hochdruck für einen friedlichen 1. Mai. Eine aus 14 gestandenen Polizeihauptkommissaren zusammengesetzte Einsatzgruppe soll in den kommenden Wochen mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen den Boden dafür bereiten, dass die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration in diesem Jahr nicht in das übliche Straßenkampfszenario zwischen randalelüsternen Jugendlichen und schlagstockbegeisterten Polizisten ausartet.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Polizei mit einer Öffentlichkeitsaktion unter dem Motto AHA (Aufmerksamkeit, Hilfe, Appelle) im Vorfeld auf einen friedlichen 1. Mai hinzuwirken versucht. Aber die Feuertaufe war am entscheidenden Tag an den eigenen Kollegen gescheitert. Statt nach ersten Flaschen- und Steinwürfen ruhig zu bleiben, waren geschlossene Einheiten in den Demonstrationszug gegangen und hatten so für Eskalation gesorgt. Selbst unbeteiligte Polizisten empörten sich über Funk über die eigenen Kollegen: „Die Bullen drehen total durch. Ihr müsst versuchen darauf einzuwirken, dass sie sich ein bisschen einkriegen . . .“ Die am Rande der Demonstration eingesetzten Beamten, die durch die Basecaps als AHA-Truppe zu erkennen waren, wurden von Kollegen in Kampfmontur als „Warmduscher“, „Softies“ und „Safttrinker“ beschimpft.

Damit sich so etwas in diesem Jahr nicht wiederholt, hat Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert die Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Die zwölf Polizeihauptkommissare und zwei Hauptkommissarinnen sollen den geschlossenen Einheiten in Gesprächen den Sinn und Zweck der AHA-Aktion vor Augen führen. „Es geht darum, klar zu machen, dass es ein großer polizeilicher Erfolg wäre, wenn die 1.-Mai-Demonstration friedlich und ohne Verletzte vonstatten geht und die Veranstaltungsteilnehmer ihr Ziel, zu demonstrieren, erreicht haben“, sagte AG-Mitglied Michael Erdmann gestern am Rande einer Fortbildungsveranstaltung in der Landespolizeischule zum Thema „Bewältigung von unfriedlichen Großdemonstrationen“. Außerdem plant die Arbeitsgruppe, die noch keinen Namen hat, in den heißen Tagen des 30. April und 1. Mai die „erlebnishungrigen Jugendlichen“ mit gezielten Aktionen von der Straße zu locken. Angedacht sind Streetballturniere und ein Konzert einer bekannten Punkband, mit der zurzeit über einen Auftritt verhandelt wird.

Parallel dazu werden die Direktionen wie im vergangenen Jahr unter der Leitung des für Prenzlauer Berg zuständigen Direktionsleiters Michael Knape mit Veranstaltungen im Kiez für einen gewaltfreien Mai und für Verständnis für eine mögliche größere Polizeipräsenz sorgen. Auch die Pressevertreter, die im vergangenen Jahr zum Teil selbst einen Knüppel über den Kopf bekommen hatten, sollen besser behandelt werden. Geplant ist die Einführung eines Shuttlebussystems der der Polizei für Journalisten zu möglichen Brennpunkten.

Neben den 14 Mitgliedern der Arbeitsgruppe nahmen an der Fortbildungsveranstaltung gestern auch mehrere Ratsanwärter (die künftige Elite der Polizei) aus Berlin und Brandenburg sowie mehrere zu einer Podiumsdiskussion geladene Medienvertreter teil. Initiiert worden war das Ganze von dem Leitenden Polizeidirektor Otto Drechsler, der wegen der falschen Verdächtigung durch den Verfassungsschutz, Scientology-Mitglied zu sein, bekannt geworden ist. Drechsler, der früher als Hardliner in der Polizei galt, will mit dem Dialog zwischen Medien und Polizei zu einer Öffnung der Behörde und zur Ausbildung eines souveränen Polizeinachwuchses beitragen. „Der Zwang zum Umdenken ist dringend geboten“, sagte er und forderte in Richtung Polizeiführung: „Verbieten wir unseren Mitarbeitern nicht länger das Wort.“

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