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Nicht jeder ein Verlierer ist ein Verlierer

Der Demokrat Bill Bradley und der Republikaner John McCain haben das Rennen nicht gewonnen. Aber nur Bradley hat wirklich verloren

„Hoffnungsträger“ und „Politikverdrossenheit“ sind deutsche Begriffe, Amerikas Politsprache sucht noch nach vergleichbar gängigen Bezeichnungen für solche Phänomene wie Bill Bradley und John McCain.

Die Herausforderung der „Spitzenreiter“ war zunächst weiter nichts als eine dieser lächerlich anmutenden Politfantasien, bei denen man sich immer fragt, ob die Kandidaten den Kontakt zur Wirklichkeit verloren haben. Doch dann wurde aus ihren Kandidaturen eine ernste Bedrohung. Bradley folgte Anfang des Jahres unversehens in Meinungsumfragen Gore so dicht auf den Fersen, dass der Vizepräsident schon zum Gespött wurde. McCain aber entfachte eine veritable Bewegung, die die klassischen Kategorien von links und rechts sprengte. Er reduzierte Bush zeitweilig auf das, was er ist: auf den verwöhnten Sohn einer Politdynastie, der außer Herkunft und Protektion nichts vorzuweisen hat.

Nicht dass McCain und Bradley nicht auch aus dem Establishment kämen. Die Rolle des Außenseiters aber ist in den USA eher eine Attitüde als eine Frage der Herkunft, eher eine Frage der Gegner, die man sich sucht, und der politischen Rhetorik, mit der man sie angreift. Bradley und McCain gelang es, sich als Außenseiter und als Herausforderer des Establishments darzustellen. Bradley sprach jenen Teil der demokratischen Partei an, der sich von Clintons Kompromissen verraten fühlte. Er besetzte die Themen, die als unerfüllte Hoffnung aus Clintons Wahlkampf 1992 übrig geblieben waren: allgemeine Krankenversicherung und Reform der Wahlkampffinanzierung sowie die Überbrückung der Kluft zwischen den Klassen und Rassen.

McCain aber mobilisierte all jene, die das Vertrauen in das Funktionieren der amerikanischen Demokratie verloren oder nie gehabt hatten, sowie jene, die Fundamental- und Systemreformen wollten. Seine Themen wuchsen über die Kritik am Einfluss des großen Geldes auf die Politik hinaus und steigerte sich zu Kennedy-mäßiger Herausforderung, nicht zu fragen, was die Nation für einen selbst, sondern was man selbst für sein Land tun kann: „Mein Ziel ist, eine ganze Generation von Amerikanern dafür zu begeistern, sich für eine Sache einzusetzen, die größer ist als wir selbst.“

Bradley und McCain haben nun angedeutet, dass sie aus dem Rennen scheiden werden. Bradleys Wähler wird Al Gore leichter integrieren können als Bush die von McCain. Die Unentschlossenen sind es, die letztlich den Ausgang der diesjährigen Wahl entscheiden könnten. „Heute ist keiner der beiden Kandidaten in der Lage, diese Wähler zu binden“, sagte die Wahlforscherin Celinda Lake der taz. „Sie repräsentieren die in Amerika tief sitzende Skepsis gegenüber aller Politik und allen Politikern“, so auch Meinungsforscher Ed Goeas, republikanischer Meinungsforscher und das Pendant zur demokratischen Celinda Lake. Sie durchziehen als unterirdische Strömung die amerikanische Politik seit Jahrhunderten und können von Politikern wie Theodore Roosevelt 1912, Ross Perot 1992 oder John McCain 2000 mobilisiert werden. Roosevelt, mit dem McCain sich gerne vergleicht, schied 1912 aus der republikanischen Partei aus und gründete die progressive Partei, die mehr Stimmen gewann, als je ein dritter Kandidat vor oder nach ihm. Es wird schon darüber spekuliert, ob McCain es ihm nachtut und als Kandidat der Reformpartei antritt. PETER TAUTFEST

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