Polizeieinheiten werden missioniert

Auch die berüchtigte 23. Einsatzhundertschaft soll künftig deeskalieren. Das soll eine polizeiinterne Arbeitsgruppe erreichen. Der stellvertretende Leiter bestreitet, dass seine Beamten Rambos sind. Sie sind stets ohne Schlagstock im Einsatz. Ihre Spezialität: schnelle Festnahmen

Egal, ob es sich um einen Castor-Transport nach Ahaus handelt oder um die revolutionäre 1.-Mai-Demonstration in Berlin: Wenn es hart zur Sache geht, hat die 23. Einsatzhundertschaft (EHU) der 2. Berliner Bereitschaftpolizeiabteilung meistens die Finger im Spiel. Kaum eine andere Hundertschaft hat über die Stadtgrenzen hinaus so viele Negativschlagzeilen produziert wie die 130 Männer und Frauen der 23. EHU.

Auch diese Truppe soll nun missioniert werden: Eine aus 14 Polizeihauptkommissaren bestehende, neu gegründete Arbeitsgruppe wird in den kommenden Wochen Gespräche mit sämtlichen 24 geschlossenen Einheiten führen. Sie sollen den Beamten die Bedeutung der Deeskalation klarmachen. Die Strategie: Mit einer Aktion unter dem Motto AHA (Aufmerksamkeit, Hilfe, Appelle) will die Polizei durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen auf einen friedlichen Verlauf des 30. April und 1. Mai hinwirken. Im vergangenen Jahr war das AHA-Konzept nicht zuletzt an den geschlossenen Einheiten gescheitert. Diese hatten durch ihr hartes Vorgehen nach Stein- und Flaschenwürfen für eine Eskalation gesorgt.

Dass die AHA-Leute demnächst ihre Aufwartung machen werden, hat sich bei den geschlossenen Einheiten bereits herumgesprochen. Im vergangenen Jahr war die AHA-Vorgängertruppe von den Einsatzgruppen auf der Straße als „Warmduscher“ und „Safttrinker“ beschimpft worden. Die Gefahr, dass sich dies wiederholt, besteht wohl nicht. der Grund: Die ausgewählten zwölf Polizeihauptkommissare und zwei Hauptkommissarinnen genießen aufgrund ihrer Erfahrung in allen Einsatzgebieten hohe Akzeptanz. „Wir werden sie mit offenen Armen begrüßen“, sagte der stellvertretende Leiter der 23. EHU, Olaf Hansen, am Rande eines Seminars in der Landespolizeischule. Seine Hundertschaft sei durchaus lernbereit, und bei Polizeieinsätzen „vermehrt die Sprache einzusetzen“, sei ein gutes Konzept, findet Hansen. Es sei ein großer Erfolg, wenn der 1. Mai friedlich verlaufe. Aber daran glaubt er nicht. Denn ein kleiner Teil der Demonstranten suche die Randale. Hansen versicherte aber: „An uns soll es nicht liegen. Es gibt keinen, der sich auf den Einsatz freut, um mal wieder richtig loslegen zu können.“

Nach dem Castor-Transport nach Ahaus im Frühjahr 1998, bei dem die 23. EHU eingesetzt war, hatte das Polizeipräsidium Münster den Berlinern Unkollegialität, Aggressivität und blinden Aktionismus vorgeworden. Nach einem Gespräch zwischen hochrangigen Polizeivertretern aus Berlin und Nordrhein-Westfalen war darüber jedoch der Mantel des Schweigens gebreitet worden. Den Vorwurf, dass die 23. EHU unverhältnismäßig agiert, weist Hansen entschieden zurück. Der Grund, warum die Hundertschaft bundesweit so oft ins Gerede komme, sei deren spezielle Einsatztechnik: Die 23. EHU sei eigens dafür ausgebildet, beweissichere Festnahmen zu tätigen. Man arbeite grundsätzlich ohne Schlagstock, um die Hände für einen schnellen Zugriff frei zu haben. „Die Flexibilität und härtere Vorgehensweise, wenn es geboten ist, fallen als andere Arbeitsweise auf.“ Das sei auch der Grund, warum die Einheit im Bundesgebiet direkt an den Brennpunkten eingesetzt werde.

Auch bei der Besetzung des isrealischen Generalkonsulats am 17. Februar 99 war die 23. EHU mit 30 Beamten zuerst zur Stelle. Nahezu alle Beamten wurden bei der Auseindersetzung mit den Kurden verletzt. Danach erlebten sie, wie die isrealischen Sicherheitsbediensteten das Feuer eröffneten. Bei dem Blutbad wurden vier Kurden getötet und zahlreiche Personen verwundet. Am Abend dieses Tages erkundigte sich der sozialmedizinische Dienst der Polizei bei der 23.EHU, ob ein psychlogisches Gespräch gewünscht werde. Die Reaktion der Beamten: Gelächter. „Wir sind doch keine Vorwärtseinparker. Sozialmedizinische Betreuung brauchen wir nicht“, hieß es. Hansen bedauert dies. Seine Leute seien keine Rambos, aber sich eine Schwächen einzugestehen sei auch nicht gerade die Stärke seiner Männer.

PLUTIONIA PLARRE