: Das Recht auf Selbstverteidigung
In den späten 60er Jahren verschärfte sich auch in den USA der politische Diskurs merklich. Was Blaxploitation-Filme und die Black Panthers miteinander zu tun haben, fragt sich nun ein Wochenende im Metropolis ■ Von Tobias Nagl
Die Geschichte der African Americans“, schreiben Nobert Finzsch, James Oliver Horton und Lois E. Horton in ihrem vorzüglichen Von Benin nach Baltimore, „ist auch immer eine Geschichte der Gewalt.“ Gesellschaft und Kino gaben dagegen nur einen Ratschlag: erdulden, erdulden, better must come one day. Doch irgendwann half das Beten einfach nicht mehr. Denn wo Gewalt ist, wächst auch das Bedürfnis nach Rache. Sie kam gleich zweifach und mit der Heftigkeit eines kathartischen Sturms, der sich über Jahrhunderte zusammengezogen hatte.
1966 gründete der junge schwarze Student Huey P. Newton in Oakland die Black Panther Party, die bald 500 chapters und mehrere tausend Mitglieder haben sollte. Und nur wenig später erstand, etwas südlicher, in Hollywood ein ganz neuer Leinwandheld wie man ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Beide, der schwarze Revolutionär wie der Held jener an ein afroamerikanisches Publikum gerichteten, action-reichen Blaxploitation-Filme, hatten die Schnauze voll: Sie trugen Leder, waren ungeheuer männlich, und hielten zum ersten Mal nicht mehr die andere Wange hin, wenn sie geschlagen wurde. Im Gegenteil: Sie waren bewaffnet. Nichts hätte dem weißen Amerika auf der Straße wie im Kinosessel mehr Angst einjagen können. Doch wo die Blaxploitation-Helden um die individuelle Zulassung zum amerikanischen Traum kämpften, leisteten die Panthers Sozialarbeit und folgten bewaffnet Polizeistreifen durch die Viertel, um die Kontrolleure zu kontrollieren.
Dem Verhältnis zwischen Blaxploitation und Black Panthers, geht nun ein Film- und Vortragswochenende im Metropolis nach. Organisiert wurde es von der Hamburger Filmemacherin Margit Czenki (Park Fiction, Komplizinnen) und der bundesweiten Initiative das weite suche, die bereits im Dezember die Forderung nach Freiheit für die letzten sechs Gefangenen aus der RAF mit einer exquisiten Filmreihe flankiert hatten (siehe unten). Wenn auch nicht die Gefängnismauern, den politischen und kulturellen Horizont der Zuschauer haben sie ganz sicher geöffnet. Genauso liebevoll und kenntnisreich zusammengestellt, präsentiert sich das blaXploitation!-Wochenende, das in diesem Zusammenhang gleichermaßen linksradikalen Nachhilfeunterricht gibt. Einstige Aktivisten des afroamerikanischen Widerstands wie Mumia Abu-Jamal sitzen noch heute in den Knästen und warten auf die Hinrichtung – und für den Versuch hiesiger Militanter, den „antiimperialistischen Kampf in die Metropolen“ zu tragen, war das Vorbild unter anderem eben auch das der Panthers.
Die zentrale Fragestellung gilt dabei jener Hypermaskulinität, wie sie sich im martialischen, paramilitärischen Auftreten der Panthers äußerte – und die genauso von den schwarzen Action-Filmen der frühen 70er Jahren zelebriert wurde. Deren zu coolen Funk-Soundtracks stolz um sich ballernde Helden waren zwar Zuhälter, Dealer oder Privatdetektive; ihnen allen müsste aber eine Figur wie der Gangster Goldie (Max Julien) in The Mack, einem der schönsten Filme des Zyklus', aus der Seele gesprochen haben, wenn er einem weißen Cop Sätze ins Gesicht sagte wie: „You know what your problem is? You wanna be me. You'd like to have my clothes, you'd like to have my money and get into my big car. You'd like to have some of the pretty women I got, especially the pretty white one I just left in the restaurant.“
Wo The Mack den Genre-Konventionen weitgehend folgt, präsentieren sich filmhistorische Perlen wie Melvin Van Peebles Fluchtdrama Sweet Sweetback's Badassss Song und der Arthouse-Vampir-Film Ganja & Hess weitaus experimenteller. Beide sind deshalb äußerst selten zu sehen. Getarnt als „Porno“, war Van Peebles Film dabei der erste schwarze, unabhängig finanzierte Film Hollywoods. Die Panthers zeigten ihn während Schulungen; Darius James, Autor des einzigen Blaxploitation-Standardwerks, wird den Film einführen.
Eine dezidiert feministische Perspektive dagegen schlägt der Spielfilm Bush Mama ein, die am darauffolgenden Tag von einem Vortrag Gudrun Löhrers zur Frauenfrage bei den Panthers historisch ergänzt wird. Im Anschluss daran sind der auf einer Bobby-Seale-Rede basierende Montage-Film Strange Fruit aus dem Jahr 1971 und eine neuere Angela-Davis-Dokumentation zu sehen. Stand up and be counted!
Sweet Sweetback's Badasssss Song (Einleitung: Darius James): Sa., 11.3., 19 Uhr; Ganja & Hess: Sa, 11.3., 21.15 Uhr; Bush Mama: Sa, 11.3., 23.15 Uhr; Strange Fruit/Angela Davis (Vortrag von Gudrun Löhrer zur Genderkonstruktion der Black Panthers: So, 12.3., 19 Uhr; The Mack: So, 12.3., 21.30 Uhr
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