Ohne Gemütstöffelei

Kugelsicheres Karacho: Feridun Zaimoglu und Kanak Attak im Doppelpack  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Seine Misstöne „vom Rande der Gesellschaft“ trägt Feridun Zaimoglu dieser Tage gleich zweimal in Hamburg vor. Einmal ist er heute im Literaturhaus zu sehen, zusammen mit seiner Kollegin Emine Sevgi Özdamar, und übermorgen, am 16.3. zusammen mit Imran Ayata, einem Gründungsmitglied des politischen Zusammenschlusses Kanak Attak, in der Schilleroper am Pferdemarkt.

Das Literaturhaus hat mit seinem Veranstaltungstitel „Türkische Literatur in der Türkei und in Deutschland“ wohl versucht, den immer unglücklichen Bezeichnungen der Literatur von in Deutschland lebenden Ausländern, die meist gar keine sind, eine neue Wendung zu geben. Was allerdings die beiden Eingeladenen mit türkischer Literatur zu tun haben – beide schreiben und veröffentlichen in deutscher Sprache – wird dort erst noch zu erklären sein. Zu dem, was in den 80er Jahren Gastarbeiter- oder wenig später wohlmeinender Migrantenliteratur genannt wurde, haben Zaimoglu und Özdamar ein recht gespaltenes Verhältnis: Weitgehend blieb sie unbeachtet; das öffentliche Bild prägte Wallraff mit Ganz unten.

Auch Özdamar, einigen bekannt durch ihre Rollen in Hark Bohms Yasemin oder Doris Dörries Happy Birthday, Türke, begann in dieser Zeit mit dem Schreiben. Ein Durchbruch gelang ihr erst 1992 mit Das Leben ist eine Karawanserei. In ihrem jüngsten Buch Die Brücke vom Goldenen Horn (1998) hat sie unter anderem ihre Erfahrungen als Vertragsarbeiterin bei Telefunken in Berlin verarbeitet. Ihre lakonische Sprache lässt sich so aber auch als eine Antwort auf die Larmoyanz der 80er-Jahre-Texte verstehen.

Zaimoglu führt die „null relevanz“ der sogenannten Gastarbeiterliteratur auf ihre „gemütstöffelei“, auf ihr „arm-bin-ich-dran und ne ehrenrunde humanistenappell“ zurück. Sein Credo lautet dagegen „kugelsicheres karacho“, umgesetzt in seinen Büchern Kanak Sprak, Abschaum und Koppstoff. Zaimoglus sperrige Sprache mit inzwischen auch türkischsprachigen Einsprengseln zielt nicht mehr in erster Linie auf ein deutsch-deutsches Lesepublikum, das Werben um Toleranz der multikulturellen Jahre ist bei ihm einem aggressiven Ton gewichen, der wiedergeben soll, was auf den „realen Straßen“ gesprochen wird. Der Gestus dieses Traditionsbruchs macht allerdings unsichtbar, was den „kleinbürgerlichen positionsanspruch“, den er den „exilschreibern“ vorwirft, überhaupt möglich machte: die Einebnung sämtlicher sozialer Differenzen unter den zur Arbeit ins Land Geholten durch den Rassismus der 6oer und 70er Jahre. Seit geraumer Zeit aber hat genau die dem Einschluss einiger von ihnen in die Schichtungen der nationalen Gesellschaft Platz gemacht. Dessen Ausdruck und Zementierung ist nicht zuletzt die Neufassung des Staatsbürgerschaftsrechts zum Beginn dieses Jahres.

Für die Gruppe Kanak Attak ist die Lesung mit Feridun Zaimoglu und Imran Ayata der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Kanak Chic“, mit der solchen Schichtungen auf den politischen Grund gegangen werden soll. Geplant sind weitere Veranstaltungen mit FilmemacherInnen und UnternehmerInnen. In einem Artikel in der Spex gab Ayata Ende letzten Jahres zu bedenken, dass der partielle Einschluss von MigrantInnen in die bundesdeutsche Kultur und Ökonomie die Chance bietet, mit mehr Stoßkraft den in seiner Struktur veränderten Rassismus zu thematisieren und zu bekämpfen.

Am kommenden Donnerstag könnte daher auch die Frage sein, inwiefern Zaimoglu mit seinem emphatischen Plädoyer für eine Literatur von unten diese Chance nutzt und welchen strategischen Nutzen die Bezeichnung „vom Rande“ für die Türkinnen und Türken, deren Worte er literarisiert, angesichts der neuen Hierarchien zwischen MigrantInnen hat.

 Di, 14.3., 20 Uhr: „Türkische Literatur in der Türkei und in Deutschland“, Emine Sevgi Özdamar und Feridun Zaimoglu, Literaturhaus (Schwanenwik 38)

Do, 16.3., 20 Uhr: „VIP Kanak“, Literatur von Feridun Zaimoglu und Imran Ayata, anschließend Raps mit Aziza A., Sounds von Turgay und Disco mit DJ POPayata und Hussein, Schilleroper (Bei der Schilleroper 14)