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DIE GRÜNEN BRAUCHEN EINE POLITISCHE PERSONALENTWICKLUNGRaus aus den Hinterzimmern

Zu Recht stellt Die Woche fest, dass die Strukturfrage bei den Grünen „im Kern eine Machtfrage“ ist. Sie verkürzt ihre Diagnose allerdings darauf – und das mindert ihren Wert entscheidend –, dass die Aufhebung der bisherigen Unvereinbarkeit von Amt und Mandat eine Machtverschiebung innerhalb des Flügelspektrums zur Folge hätte, zu Gunsten der Realos und zu Lasten der Linken. Das ist ein selbstbezüglicher Blinkwinkel, wie er von den Grünen selbst gerne eingenommen wird. Eine wirkliche Machtfrage ist die Vereinbarkeit von (parteilichem) Amt und (gesellschaftlichem) Mandat deshalb, weil sie Frauen und Männern den Zugang zur Parteispitze öffnen würde, die sich in der parlamentarischen Debatte oder durch ihre Regierungstätigkeit bewährt haben, deren Fähigkeiten also im politischen Handeln erkennbar geworden sind, in der öffentlichen Auseinandersetzung – und nicht in den Hinterzimmern der Partei.

 Joschka Fischer ist nicht deshalb zum Star der Grünen aufgestiegen, weil er im Innenleben der Partei seine Ränke geschmiedet hätte (wie ihm seine Gegner gerne andichten; natürlich hat er auch hier seine Fähigkeiten), sondern weil er durch seine brillanten Reden im Bundestag, durch seine Performance als Landesminister, durch politisch gehaltvolle Interviews und den selbstreflexiven Ton seiner politischen Bücher öffentlich präsent und anerkannt war. Dass sein Stern in den letzten Monaten gesunken ist, liegt an seinem Schweigen im innenpolitischen Hauptdiskurs dieser Zeit, der zu einer veritablen Kräfteverschiebung zu Gunsten der Grünen hätte führen können und müssen, stattdessen aber in die Renaissance der FDP mündete.

 Fischers fehlender Beitrag zur politischen Korruption, sein Verzicht darauf, aus dem moralischen Oberflächenwust des Parteispendenskandals die Gefährdung des republikanischen Kerns unserer Verfassung herauszuarbeiten, haben nicht nur seiner Reputation geschadet, sondern auch der seiner Partei. Diese Lücke im öffentlichen Diskurs über Politik, Geld und Moral haben die Parteisprecherinnen nicht füllen können, aber auch nicht die bekannten Mandatsträger, die sich bei ihren medialen Auftritten, je nach Eigenart bräsig, langweilig oder auch erregt, am allgemeinen Klagelied über die Verkommenheit der CDU beteiligt haben, aber ohne intellektuelle Durchdringung, ohne tiefere politische Analyse und ohne rhetorische Eleganz.

 Dass die Grünen diese Chance für eine verfassungspolitische Offensive verpasst und neben dem Parteivorstand auch ihre Mandatsträger versagt haben, zeigt, dass auch die Ausübung eines Mandats keine Garantie für eine politische Qualifikation darstellt; aber diese lässt sich erst wirklich überprüfen, wo jemand politische Verantwortung übernimmt und dafür geradestehen muss.

 Dass es bei den Grünen, außer mit dem Rücktritt von Gunda Röstel, noch keinen politischen Offenbarungseid gegeben hat, liegt auch daran, dass dieses Versagen von der Parteibasis gar nicht wahrgenommen wird. Es herrscht dort nämlich eine Kultur des Misstrauens gegenüber ihren politischen Köpfen, die vornehme Zurückhaltung oder zumindest profillose Beteiligung im öffentlichen Diskurs verlangt. Die andere Seite dieser Kultur ist die Mittelmäßigkeit im Innenraum des Parteilebens, das in seiner leeren Geschäftigkeit zunehmend an das selbstbezügliche Gehabe kleinbürgerlicher Vereine erinnert.

 Die Diskursfähigkeit der Grünen ist kein anonymes Qualifikationsmerkmal der Partei an sich, sondern an die Kompetenz von Individuen gebunden, die sich zu Wort melden. Ein zukunftsfähiges Programm der Grünen entsteht nicht in hermetischen Parteizirkeln, sondern im öffentlichen Diskurs über die Zukunftsfragen der Gesellschaft, den Einzelne führen oder zumindest anregen, moderieren und begreifen müssen. Die politische Gestaltungsfähigkeit der Grünen – sofern sie überhaupt die dazu in der Demokratie unerlässliche Zustimmung der Bevölkerung erhalten – hängt nicht zuletzt vom persönlichen Format derer ab, die Machtpositionen in Partei und Regierung besetzen.

 Die Grünen brauchen dazu gutes Personal mit entsprechenden Qualifikationen. Das hohe Anforderungsprofil für Führungsämter der Partei ist ein Profil, wie schon der Name sagt. Eine Parteikultur, die Köpfe klein macht und Profile abschleift, schreckt die Talente ab und zieht Vereinsmeier und Opportunisten an, die diese Kultur wiederum verfestigen und gerne politisches Mittelmaß auf Dauer stellen.

 Man kann innerparteiliche Personalentwicklung so betreiben, die Resultate einer solchen Strategie lassen sich gegenwärtig bei der CDU besichtigen.MARTIN ALTMEYER

Der Autor ist Psychologe und Organisationsberater

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