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In der Bundeswehr grassiert der „Virus Unsicherheit“

Die Wehrbeauftragte der Bundesregierung Claire Marienfeld zeichnet in ihrem letzten Bericht ein sehr düsteres Bild von dem Zustand der Truppe. Die Soldaten wissen nicht, wie es weitergehen soll und flüchten in Zynismus. Immerhin: Die Zahl rechtsextremer Übergriffe hat abgenommen

BERLIN taz ■ Als Wehrbeauftragte der Bundesregierung hat Claire Marienfeld (CDU) in den letzten fünf Jahren gelauscht, wo den Soldaten die Stahlkappe drückt. Gestern präsentierte die 59-Jährige in Berlin ihren letzten Bericht. Zum Abschied zeichnete sie ein düsteres Bild.

„Der Virus Unsicherheit grassiert“, stellte Marienfeld fest. Sie beklagte, der Geldmangel und die Debatte um die Strukturreform hätten in der Truppe Resignation und Zynismus ausgelöst. Weil den jungen Soldaten die „persönliche Perspektive“ fehle, hätten sich weniger Zeitsoldaten verpflichtet – über ihnen schwebt das Damoklesschwert der noch tagenden Strukturkommission. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) dementierte gestern allerdings Berichte, wonach die Bundeswehrreform sogar hinter die nächste Bundestagswahl verschoben werde.

In ihrem Bericht legte Marienfeld besonderes Augenmerk auf die weiblichen Rekruten. Marienfeld berichtete, sie habe keine beruflichen Benachteiligungen der 4.700 Frauen in der Bundeswehr erkennen können. Allerdings hätten die männlichen Kollegen gewisse Umgangsprobleme.

„In Einzelfällen“ sei es zu sexuellen Belästigungen und Erniedrigungen gekommen. So sei ein Hauptfeldwebel in den weiblichen Duschräumen mit seinem Angebot, „Rücken einzuseifen“, kaum abzuwimmeln gewesen. Die Mehrzahl sei mit den Kameradinnen aber eher „zu fürsorglich“ umgegangen.

Ein Novum: Marienfeld forderte, sich mit Homosexualität in der Truppe auseinander zu setzen, weil auch die Gesellschaft toleranter geworden sei. Konkreter wollte sie nicht werden.

Ein weiteres Problem treibt die Soldaten um: Die Aufstockung der Einsatzzeit im Ausland von vier auf sechs Monate stoße „auf allen Ebenen auf Ablehnung“. Die Trennungszeit von Familie und Partnern sei vielen zu lang, Beziehungssorgen machen sich breit.

Ein kleiner Lichtblick im grauen Bilanzierungsreigen: Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten hat sich im vergangenen Jahr mehr als halbiert, von 200 auf 92. Angesichts einer Truppenstärke von 320.000 Soldaten seien auch das nur Einzelfälle, meint die scheidende Wehrbeauftragte.

Marienfelds Entscheidung, ihren Posten Ende April abgeben, beeinflusst das nicht mehr. Sie sagte, der Spagat zwischen den Wünschen der Soldaten und der Realität sei „etwas zu groß für sie“ geworden. Militärisch ausgedrückt: Sie desertiert.

GUNNAR MERGNER

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