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Schön bunt – und weiter?

Noch bevor neue Medien in der Fortbildung den Mittelstand erobern konnten, wachsen Zweifel: Nicht alles, was hip ist, bringt einen weiter – und manchmal hilft auch der Overheadprojektor

von BARBARA FRIEDHELMI

In dem kleinen Berliner Unternehmen für den größeren Bürobedarf ist Medientechnologie vom Feinsten längst kein Menetekel der Zukunft mehr. Von Berührungsängsten mit Computer, Laptop und EURO-ISDN keine Spur: Bei „Wolfram Bürokommunikation“ hocken die Mitarbeiter mit Minikamera, Mikrophon und Lautsprecher hinter dem PC und bilden sich weiter. Excelschulung, Buchhaltungssoftware, Homepageauf bau. In einem kleinen Fenster auf dem Screen tänzelt ein Dozent über den Bildschirm, korrigiert mit rotem Cursorstrich aus der Ferne, stellt mit kratziger Stimme seine Fragen aus dem Lautsprecher. Statt durch das ungemütliche Berliner Wetter zu entlegenen Fortbildungskursen zu reisen, machen sich die Mitarbeiter von „Wolfram Bürokommunikation „bei Tee und Keksen am Arbeitsplatz schlau: via Telelearning. „Die Methode ist ideal für ein kleineres Unternehmen wie unseres“ sagt einer der Mitarbeiter: „Die Leute können im Betrieb bleiben. Sie sitzen in gewohnter Atmosphäre zusammen.“

Das Fortbildungsprogramm, das auf den Bildschirmen im Einsatz ist, ist genau auf das Unternehmen zugeschnitten. Der Tele-Fortbilder bekommt von „Wolfram Bürokommunikation“ präzise Informationen: Dieses und jenes sind die Gebiete, an denen es noch hapert; über dieses und jenes wüssten wir gerne etwas mehr; anderes kann vernachlässigt werden. Vor Ort werden die dabei auftauchenden Probleme sogleich wieder besprochen.

Noch ist die Weiterbildung über ausgefeilte Methoden wie multimedial gestützte Videokonferenzen nur ein Spielfeld für sehr innovative Firmen. Doch der Einsatz neuer Medien in der betrieblichen Fortbildung ist im Kommen. Einige große Unternehmen in Berlin wie anderswo arbeiten schon seit einigen Jahren mit computergestützten Trainingsprogrammen (CBT), Lernsoftware, Intranet oder Internet. Die Allianz-Versicherung etwa macht seit Jahren computergestützte Weiterbildungen; Siemens prescht jetzt offensiv mit einer elektronischen Lernplattform zum multimedialen Wissensmanagement vor.

Was bisher Bastion der Großen war, setzt sich allmählich auch in mittleren und kleinen Unternehmen durch. „Je größer ein Unternehmen, desto etablierter sind neue Lernformen“, sagt Josef Hans Rauch, Leiter der Abteilung Weiterbildung und Informationsmanagement bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in München. Denn: „Wer neue Medien in der betrieblichen Weiterbildung einsetzen will, muss erst einmal investieren. Zudem wurden lange Zeit die Lernanwendungen für Unternehmen individuell entwickelt. Das rentierte sich nur für die großen Firmen.“ Erst seit wenigen Jahren, so Rauch, gebe es Programme von der Stange, die der Leistungsfähigkeit der Durchschnittsrechner angepasst seien.

Nach einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft Ende vergangenen Jahres in 273 mittelständischen Unternehmen gehört der Computer bei 95 Prozent zum Alltag, mehr als zwei Drittel surfen im Netz, 30 Prozent der Unternehmen wollen zukünftig ihre Geschäfte online abwickeln. Damit steigen auch die Anforderungen an die Computerkenntnisse der Mitarbeiter.

Demgegenüber spielten PC & Co. in der betrieblichen Weiterbildung bisher keine große Rolle; auch Telelearning steht noch ein wenig stiefmütterlich da. Oder, wie es eine Mitarbeiterin in einer Berliner Schulungsfirma formuliert: „Alle sprechen davon, aber so richtig greift die Methode noch nicht.“ Es hakt an technischer Ausstattung und Bewusstsein, an finanziellen Mitteln. Höchstens zehn Prozent der mittelständischen Unternehmen nutzen die Möglichkeiten der Computertechnik, um ihr Personal fit zu machen in Sprachen oder Computeranwendung, in technischem Know-how oder aktuellen Entwicklungen ihrer Branche, schätzt Rauch.

Eberhard Raschke, Redakteur der Zeitung des Bundesverbandes Mittelständischer Wirtschaft in Bonn, spricht von zwei Tendenzen: „Die einen sind sehr skeptisch, nach dem Motto ,Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.‘ Die anderen fahren total darauf ab.“ Viele mittelständische Unternehmen seien eher konservative Familienunternehmen, bei denen die Sorge um den Umsatz und Rationalisierung an erster Stelle stünde. „Für Rumspielereien, die am Anfang notwendig sind, um sich in so eine neue Technik einzufummeln, haben sie oft keine Muße. Bei einer neuen Lernsoftware etwa, heißt es dann, ,ach, da sind sooo viele Programmfehler`. Die Leute erwarten sofort Erfolg.“ Viele kleinere Unternehmen fänden den Absprung auf den Datenhighway erst, wenn der PC-begeisterte Sohn sich einklinke.

Um seine Mitglieder zu motivieren, sich in der Medienwelt nach vorn zu trauen, bietet der Verband einen Service an, der einer Firma für tausend Mark eine Homepage ins Internet stellt. Ein ähnliches Ziel steht hinter der Initivative zur Förderung der neuen Medien in den Unternehmen, die das Bundesforschungsministerium 1998 ins Leben gerufen hat. Zwanzig „Kompetenzzentren“ arbeiten seitdem daran, dem Mittelstand die Vorzüge der neuen Medien schmackhaft zu machen. Ein Baustein ist die Weiterbildung mit elektronischer Unterstützung.

Wo die Notwendigkeit lebenslangen Lernens längst Gemeinplatz geworden ist, wird die Suche nach möglichst effizienten Strategien seiner Umsetzung gerade für kleine Unternehmen zur Gretchenfrage. Offline-Learning mit Programmen aus dem Netz, Lernsoftware und Telelearning – das Lernen mit neuen Medien hat viele Vorteile: Es ist flexibel und lässt sich leicht auf die Bedürfnisse der Firma und des einzelnen Mitarbeiters abstimmen, Reisezeiten entfallen. „Das ist billiger als Leute zu Schulungen zu schicken, zu denen die Mitarbeiter weit teuer reisen müssen“, sagt Miriam Hohenfeld vom Verband der deutschen Softwareindustrie. „Kurzfristig kann das eine Mehrbelastung sein, weil man eingeschliffene Abläufe ändern muss.“ Zum Beispiel beim Einsatz des Intranets, über das sich Wissen im Unternehmen schnell und kostengünstig weitergeben lässt. Da muss sich erst einspielen, wer beispielsweise wann welche Informationen für wen ins Netz stellt. Hohenfeld: „Doch gerade für mittelständische Unternehmen ist das ein enormer Vorteil, schließlich kann nicht jeder über alles Bescheid wissen oder bei allen Meetings dabei sein, deren Ergebnisse er trotzdem kennen muss.“ Unternehmen, die in puncto neue Medien nicht am Fuße des Berges, sondern auf seiner Spitze stehen, haben es zudem leichter Nachwuchs zu finden, schätzt Miriam Hohenfeld.

Die Zeit freilich, in der die neuen Medien um jeden Preis angesagt waren, ist vorbei noch bevor der Schwung den Mittelstand mit ganzer Kraft erfasst hat. Lernen mit neuen Medien? „Das ist alles sehr schön und wichtig. Aber es gibt nicht mehr die Euphorie wie vor einigen Jahren, als es hieß, je mehr Lernsoftware, desto besser“, sagt Barbara Dorn von der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände.

„Das Lernen muss eingebunden sein in ein Gesamtkonzept des Unternehmens“, sagt auch IHK-Weiterbilder Rauch. Inzwischen warnen Fachleute immer häufiger davor, die neuen Medien in der Bildung überzubewerten. Nicht alles was spacig, multimedial und online ist, sei sinnvoll, argumentieren sie. Um Kundenkommunikation zu trainieren, könne zum Beispiel ein herkömmlicher Workshop mit Overheadfolien geeigneter sein als eine szenige Multimediascreendemonstration.

„Gerade bei kleinen Unternehmen hakt es oft noch an der Ausstattung“, erklärte auch ein US-amerikanischer Experte Ende 1998 auf der Multimedia-Messe „Online-educa“, „und ob Mitarbeiter die Schulung am Arbeitsplatz wirklich so schätzen, ist fraglich.“ Auch in den USA habe man nämlich festgestellt: „Die meisten sind froh, endlich mal aus ihrem Betrieb raus zu kommen.“

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