: Im Nebel der Geheimhaltung
Über Rüstungsexporte entscheidet ein streng abgeschottetes Gremium: Der Bundessicherheitsrat. Eine Kampagne für mehr Offenheit soll das ändern
von Katja Trippel
Die Anfrage nach 1.000 Leoparden für die Türkei alarmierten gestern die rüstungskritischen Abgeordneten der Grünen. Die Bitte um 29 Füchse für die Vereinigten Arabischen Emirate sorgten vorgestern für Streit unter den Koalitionsparteien. Und die vor Jahren erfolgte Lieferung von 36 Füchsen nach Saudi-Arabien ist einer der Gründe, weshalb die Herren Kiep, Schreiber und Kohl zur Zeit Ärger mit der Justiz haben. Bei allen drei Beispielen beruhen Aufregung, Streit und Ärger auf dasselbe Fahrzeug, dessen Tiernamen verharmlosen, dass es sich dabei um Kriegsgerät handelt: Panzer.
Noch eines haben die drei genannten Fälle gemeinsam: Das Parlament und die Öffentlichkeit erfuhren nur mehr oder weniger zufällig über die geplanten oder vollzogenen Lieferungen der Kriegswaffen ins Ausland. Damit soll Schluss sein, fordern nun eine Reihe von Friedensorganisationen, allen voran medico international. Zu lange schon würden die entscheidenden Diskussionen über Rüstungsexporte nur in abgeschotteten Gremien verhandelt, was quasi automatisch eine Politik der Schmiergelder und Korruption nach sich ziehe.
Bester Beleg dafür ist der derzeitige Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre, der ursprünglich auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg über Panzerdeals und Schmiergelder zurückgeht. Er untersucht, wie rund 220 Millionen Mark seit 1990 an verschiedene „Berater“, Politiker und Parteien geflossen sind, damit die Thyssen AG 36 Panzer nach Saudi-Arabien verkaufen konnte. Alles war streng geheim, wie immer, wenn es in Deutschland um Waffenexporte geht. Bis der Waffenhändler Karlheinz Schreiber nach fast 10 Jahren anfing zu reden – und unfreiwillig begann, die CDU-Spendenpraxis offenzulegen.
„Das Geheimhaltungsprinzip, nach dem in Deutschland Waffenexporte gehandhabt werden, ist die beste Voraussetzung für dunkle Machenschaften“, sagt auch Otfried Nassauer vom Berliner Institut für Transatlantische Sicherheit (Bits). Schon lange fordert er deshalb mehr Transparenz bei Rüstungsgeschäften.
Die restriktiveren Richtlinien für Rüstungsexporte, die die rot-grüne Regierung im Februar zur Schlichtung des Streits um den Leopard-Testpanzer für die Türkei beschloss, sind für ihn nur ein „erster Schritt in Richtung Offenheit“. Sein Kollege Ulrich Pöner, Geschäftsführer der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), ist jetzt schon gespannt, wie der erste Bericht über die Umsetzung der Grundsätze und erteilte Exportgenehmigungen aussehen wird, der im Mai dem Parlament vorgestellt werden soll. Aus Verweiflung über die undurchsichtig Geschäft mit deutschem Kriegsgerät hat die GKKE seit 1996 eigene Berichte über deutsche Rüstungsexporte erstellt. Als Quellen dienten ihm offizielle Waffenhandelsdaten aus den USA, Unterlagen des schwedischen Sipri-Instituts, das weltweit über Waffenhandel forscht oder einschlägige Magazine der Rüstungsbranche.
Denn von der Bundesregierung ist darüber nichts zu erfahren. Bundesausfuhramt oder Bundessicherheitsrat entscheiden geheim über Exportanträge der Industrie. Nur in Ausnahmefällen, wie aktuell beim Fuchs-Panzer, erfährt die Öffentlichkeit, wie im Bundessicherheitsrat abgestimmt wurde.
Die Berichte kommen jedoch zu spät, um ungewünschte Exporte zu verhindern. Pöner und Nassauer fordern deshalb Transparenz schon bevor Exportgenehmigungen erteilt werden. Ihre Vorbilder sind Finnland und Schweden. In Finnland wird das Parlament von der Regierung über Exportabsichten informiert. In Schweden hat ein geheim tagendes Gremium aus Parlamentsmitgliedern zumindest beratende Funktion gegenüber Exportentscheidungen.
Ähnliche Regelungen können sich die Grünen auch für Deutschland vorstellen. Angelika Beer, Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, hat „die Schnauze voll, immer erst aus der Zeitung von Rüstungsexporten zu erfahren“. Ihr Parteikollege Christian Sterzing sammelt schon fleißig Material aus den nordischen Nachbarländern, um das „absurde Exklusivrecht der Regierung“ und die „Farce der Geheimhaltung“ bei Rüstungsexport-Entscheidungen möglichst bald abzulösen.
Schwierig wird nur, die SPD davon zu überzeugen: „Die neuen Richtlinien gewähren genug Transparenz“, sagt deren abrüstungspolitische Sprecherin Petra Ernstberger. Da nicht einmal der Bundessicherheitsrat diszipliniert genug sei, um Geheimnisse für sich zu behalten, könnte man dies bei einem parlamentarischen Gremium erst recht vergessen. Eine parlamentarische Beteiligung bei Exportgenehmigungen werde deshalb in ihrer Partei nicht diskutiert.
Spätestens, wenn wieder Berichte über den Leopard-Antrag der Türkei durchsickern, ist also neuer Koalitionsstreit über Rüstungsexporte programmiert.
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