: Minister Grünschnabel
Der neue Job wird Klaus Müller wahrscheinlich verändern: Offenheit und Natürlichkeit sind leider keine nützlichen Eigenschaften für einen Minister
Er kann das sagen. Noch. „Du, ich weiß das jetzt einfach nicht, wieviele Nationalparks es hier gibt. Gib mir noch zwei Wochen Crashkurs Umweltpolitik in Schleswig-Holstein.“ Irgendwie war das stets ein sympathischer Zug an Klaus Wolfgang Müller. Er konnte auch innehalten, zugestehen, dass er blank ist. Nicht viele Politiker können das. Müller darf es nicht mehr.
Denn Klaus Müller, Bundestagsabgeordneter, Jahrgang 1971, wird Minister. Umweltminister in Kiel. Was aber bei einem MdB nach Adjektiven wie offen, natürlich, entwaffnend greifen lässt, kann bei einem Kabinettsmitglied ganz anders wahrgenommen werden. Wie steif die Brise in ein unbedarftes Ministergesicht wehen kann, durfte Müllers Vorgänger erfahren. Rainder Steenblock taumelte nach der „Pallas“-Affäre nur noch durchs Amt. Als grüner Ölverpester vom politischen Gegner verhöhnt, geduldet nur noch von der Ministerpräsidentin und gebrandmarkt von den eigenen Grünen, die „lieben Freundinnen und Freunden“ misstrauen, sobald sie ein Amt übernehmen.
Klaus Müller, mit 29 Jahren der Grünschnabel unter den Ministern der Republik, trat den Ökopaxen vor zehn Jahren in Bonn bei. Weil es ihn nervte, mit 300.000 Menschen im Bonner Hofgarten gegen den Golfkrieg zu demonstrieren, ohne dass es die Regierenden gejuckt hätte. An diesen eher grünentypischen Beginn schließt sich eine erstaunlich geradlinige Karriere an: Müller geht 1992 nach Kiel, um zu studieren, wird zwei Jahre später Landesvorstandssprecher und 1996 endlich grüner Verhandlungsführer bei den Koalitionsgesprächen mit der SPD.
So schnell kann man Einfluss nehmen – und so schnell verschlägt es einen ins fremde Fach. Klaus Müller, studierter Volkswirt, ist eigentlich Banker, genauer: Angestellter eines Landesinvestitionsinstituts. Und was hat das mit Umwelt zu tun, Herr Müller? „Ich kenne die Jagdverordnung nicht auswendig. Aber als grüner Finanzer habe ich einen Hang zur Nachhaltigkeit.“
Mit Nischenökologie wird Klaus Müller ohnehin nicht in die Schlagzeilen geraten. Da mag er noch so flott sein Ziel nennen: ein „parteiischer Naturschutzminister“ zu sein, der aus Umwelt „Arbeitsplätze macht“ und jungen Menschen die Natur zeigt. Müllers Rubikon wird die A 20, die reizvolle Landschaft an der Küste zerschneiden wird und die Leute im Norden in Gegner und Befürworter teilt. Wie standfest der nette junge Herr da sein kann, hat er bewiesen: Wegen der A 20 ist Müller schon mal zurückgetreten – als Parteisprecher, weil ihm seine Kollegin im Amt zu fundi war. CHRISTIAN FÜLLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen