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Besuch beim großen Bruder

Papst Johannes Paul II. trifft heute in Israel ein. Die Juden hoffen auf ein klärendes Wort zur Schuld der katholischen Kirche und zum Holocaust

aus JerusalemSUSANNE KNAUL

„Dieses Schuldbekenntnis reicht uns nicht“, kommentiert Israels Oberrabbiner und Holocaustüberlebender Israel Lau die Bitte von Johannes Paul II., die Juden mögen der katholischen Kirche verzeihen. Gestern ist der Papst zu einer Pilgerreise in den Nahen Osten aufgebrochen. Heute wird er in Jerusalem erwartet. Der Israeli erwartet vom Papst eine klare Stellungnahme zum Holocaust als auch zur zögerlichen Haltung des damaligen Papstes Pius XII.

Auf Initiative des Papstes werden die beiden in Polen geborenen Geistlichen diese Woche, sieben Jahren nach ihrer ersten Begegnung, erneut zusammentreffen. Das Engagement des Papstes brachte ihm gewisse Sympathien ein. „Offenbar ist dieser Papst unseren Problemen gegenüber sensibler als seine Vorgänger“, meint Lau.

Papst Johannes Paul II. hat schon weit vor seinem Reiseantritt entscheidende Schritte für ein verbessertes Verhältnis von Juden und Christen eingeleitet. Unter seiner Aufsicht wurden im Dezember 1993 diplomatische Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel aufgenommen.

Das Verhältnis der beiden Religionen zueinander war meist von einseitiger Abneigung geprägt. 90 Jahre zuvor schrieb der damalige Papst Pius X., nach einem Treffen mit dem späteren Gründer des Staates Israel, Theodor Herzl, in sein Tagebuch: „Die Juden haben niemals unseren Herrn anerkannt, deshalb können wir das jüdische Volk nicht anerkennen.“ Herzel hatte Pius X. um die Unterstützung für sein zionistisches Projekt gebeten.

Im gleichen Tenor kommentierte ein Staatssekretär des Vatikan die britischen Bestrebungen, eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ zu errichten: „Die Gefahr, die größte Beängstigung auslöst, ist die Gründung eines jüdischen Staates.“

Für Rabbi David Rosen von der „Liga gegen die Verleumdung“ ist der Grund für die lange Weigerung des Vatikans, diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen, mehr „politischer als theologischer Art“. Die katholische Kirche habe befürchtet, ihre Institutionen und Anlagen innerhalb der arabischen Gemeinden zu verlieren, wenn sie Israel anerkenne.

Den Weg der Annäherung schlug Rom erst ein, als auch die Palästinenser zu Beginn der 90er Jahre erste Schritte in Richtung Frieden unternahmen: Die palästinensische Freiheitsbewegung PLO anerkannte die Existenz Israels. Wenig später trafen sich 1991 Palästinenser und Israelis zu ersten Gesprächen in Madrid.

Zwei Jahr später unterzeichneten der Vatikan und Israel ein Abkommen über volle zwischenstaatliche Beziehungen. Die Katholiken versuchten das Abkommen herunterzuspielen. Für die Juden in Israel hingegen bargen die staatlichen Beziehungen eine Hoffnung auf Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk. Denn das Abkommen enthielt nicht nur eine Verurteilung des Antisemitismus, sondern forderte dazu auf, mit Israel gemeinsam gegen den Fanatismus zu kämpfen.

Aber das Verhältnis blieb störanfällig. Zu einem Eklat kam es, als katholische Karmeliternonnen auf dem Gelände des ehemaligen KZ Auschwitz eine Betstätte einrichten wollten. Erst kürzlich sorgte die Heiligsprechung von Edith Stein für Verwirrung. Stein wurde als Jüdin geboren, konvertierte später zum Katholizismus und kam als Nonne im Holocaust um.

Bis heute warten die Juden auf eine Bitte um Vergebung der Schuld der Kirche gegenüber den Juden. Immer wieder hat die katholische Kirche die Juden für die Kreuzigung Jesu verantwortlich gemacht und damit den besten Grund für Antisemitismus und Judenverfolgung in allen Jahrhunderten geliefert. Erst 1965 veröffentlichte der Vatikan die Nostra Aetate, in der es heißt, dass „Jesus, seine Mutter Maria und alle Apostel jüdisch waren“ und dass „den Juden als Volk keine Kollektivschuld“ auferlegt werden kann.

Papst Johannes II. ist stärker als jeder seiner Vorgänger für eine Aussöhnung mit den Juden eingetreten. Bei einem Treffen zwischen ihm und jüdischen Rabbinern in Rom 1986, erklärte das Kirchenoberhaupt: „Ihr seid unsere geliebten Brüder und in gewisser Weise, kann man sagen, ihr seid unsere großen Brüder.“ Zehn Jahre später veranstaltete der Vatikan ein internationales Seminar mit dem Titel: „Die Rolle des Antijudaismus im christlichen Milieu.“

Zu ihrer Rolle im Zweiten Weltkrieg aber fand die katholische Kirche bis dato keine klaren Worte. Die Kirche als Institution wird nicht in Frage gestellt. Die Kirche spricht nur von „Fehlern, die unsere Söhne und Töchter begingen“ oder von der Verpflichtung dazu, „die schreckliche Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen“.

Anfang vergangener Woche gab Papst Paul II. mit seinem „mea culpa!“ ein lang erwartetes Schuldbekenntnis ab. Auf den Holocaust aber ging er auch diesmal nicht explizit ein. Die Israelis setzen ihre Hoffnung auf ein klares Wort des Papstes nun auf seinen Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem am Donnerstag.

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