: Das Easy-Rostbeulen-Feeling
Bei der Versteigerung städtischer Fahrzeuge durch die Finanzbehörde kommt unter den Hammer, was gerade noch fahren kann ■ Von Sebastian Leber
Dieter Krieser ist es gewohnt, stets im Mittelpunkt zu stehen. Von mehreren hundert Menschen umringt zu sein, das kennt er. Für Krieser gehört das zum Geschäft: Er ist Auktionator. Im Auftrag der Finanzbehörde Hamburg versteigert er auf dem Polizeibetriebshof Wandsbek regelmäßig „bewegliches Staatsgut“, wie es im Beamtendeutsch heißt. Im Normaldeutsch sind das alte und teilweise beschädigte Fahrzeuge, die der Hansestadt gehören und jetzt nicht mehr gebraucht werden. Müllfahrzeuge, zerbeulte Polizeiautos, verrostete Krankenwagen: Hier wird wirklich alles verramscht, was noch im entferntesten fahrtüchtig aussieht.
„5500 zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“, hebt Krieser die Stimme, „verkauft an den Herrn im blauen Hemd“. Die Käufer sind meist Gebrauchtwagenhändler und Automechaniker aus allen Teilen Norddeutschlands. Sie erstehen die mangelhafte Ware zu günstigen Preisen, bringen sie auf Vordermann und verkaufen sie dann weiter – häufig ins osteuropäische Ausland. Fahrzeuge, für die keine Aussicht mehr besteht, jemals wieder auf legalem Wege durch den TÜV zu kommen, werden regelrecht ausgeschlachtet und als Ersatzteillager benutzt.
Nicht nur Profis, auch Sammler und Liebhaber steigern um die besten Stücke mit. Zum Beispiel Harald Wehner: Der Frührentner aus Langenhorn hat gerade den Zuschlag für ein Motorrad der Polizei-Streife erhalten. Mit dem erstandenen Gefährt und dem ausgehandelten Preis von 1500 Mark schnurrt er hochzufrieden ab: „Nur die Farbe stört mich. Grün sieht mir zu sehr nach Laubfrosch aus.“ Darum will er das Motorrad demnächst schwarz lackieren, dann stehe „dem wahren Easy-Rider-Feeling nichts mehr im Wege“.
Ob Minivan zum Campen oder Wasserwerfer für die nächste Gartenparty: Bei den Versteigerungen der Finanzbehörde bekommt man so ziemlich jede Rarität, die auf Rädern fährt und einmal für die Stadt Hamburg unterwegs war. Dabei kommen je nach Zustand des Fahrzeugs und Interesse der Mitbieter recht unterschiedliche Preise zustande. Die Spanne reicht vom Schnäppchen für 300 Mark bis zu Spitzenpreisen von mehreren zehntausend Mark. Der Käufer geht bei dem Geschäft ein großes Risiko ein – Probefahrten sind nicht erlaubt, und eine Garantie gibt es sowieso nicht.
Frauen sind auf Auktionen der Finanzbehörde eher eine Seltenheit. Katja Sprögel macht da schon eine Ausnahme. Manchmal begleitet die Barmbekerin ihren Mann hierher – aber vor allem mit dem Ziel, ihn von teuren Käufen abzuhalten und so den Geldbeutel zu schonen. „Eigentlich kassiert der Staat bei sowas doppelt ab“, sagt sie. „Die alten Wracks“ verbrauchten schließlich dermaßen viel Benzin, da sei eine „ganze Menge Ökosteuer“ zu erwarten.
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