wie ich einmal den papst kennen lernte von CORINNA STEGEMANN
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Neulich war ich auf einer Party, bei der auch der Papst zu Gast war. Darauf wurde ich aufmerksam, als jemand mir zuraunte: „Der Papst ist auch hier.“ Ich war sofort hingerissen und fragte aufgeregt: „Wer ist denn das?“ Die Frau neben mir sah mich entgeistert an und fragte: „Was? Sie haben noch nie etwas vom Papst gehört?“ Ich schämte mich zu Tode. „Der Papst“, klärte sie mich auf, „ist superberühmt.“ Mir stockte beinah der Atem. Papst. Ist. Sssuperberühmt. Vor lauter Zischlauten wurde mir ganz schwindelig. Der Champagner stabilisierte mich ein wenig.

Die Party kam nicht recht in Schwung, deshalb trat ich bei passender Gelegenheit auf den Papst zu und fragte ihn: „Und Sie sind der Papst?“ Der Papst bestätigte mir das und erzählte, dass er kürzlich niedergekniet sei und um Vergebung gebeten habe. Aufgeregt fragte ich mein Gegenüber: „Wieso? Was haben Sie denn gemacht?“ In Bruchteilen von Sekunden schossen mir die bezauberndsten Gedanken durch den Kopf. Der berühmte Papst war beim Klauen in einem Drogeriemarkt erwischt worden oder hatte heimlich den Namen des Herrn missbraucht. Oder hatte gelogen und war damit aufgeflogen. Oder er war plötzlich eitel geworden und wollte eine eigene Talkshow im Fernsehen. Vielleicht hatte er auch wollüstige Gedanken bekommen und sich mal ... Ich sah ihn an und war plötzlich vom Papst total begeistert und versuchte ihn zu beruhigen: „Eine normale Sünde“, tätschelte ich ihm verständnisvoll den Arm. „Aber ich habe mich doch nur dafür entschuldigt, was die Kirche in den vergangenen zweitausend Jahren getan hat“, rief der Papst aufgebracht: „Hexenverbrennung, Judenverfolgung und so weiter.“ Da konnte ich mithalten: „Kommunionsunterricht, Kaplan Bitko ...“, rief ich enthusiasmiert.

So leicht wollte sich die alte Kartoffel aber nicht aus der Bahn schlagen lassen: „Canossa, Kreuzzüge, Reichskonkordat ...“ Ich fühlte mich kurzzeitig leicht ausgebremst, konnte aber mit „Kirchensteuer, Jesus ...“ schnell wieder aufholen. Dennoch hatte ich den Papst unterschätzt: „Inquisition! Torquemada!!“, kreischte er. Ich aber konterte eiskalt: „Anzeigenakquise!“

Ich war dann aber vom Papst menschlich doch etwas enttäuscht. Er zeigte gar keine persönliche Größe, stellte ich fest, während ich nachdenklich an meinem Glas nippte. Mit dem Alleinanspruch auf Wahrheit hatte er nicht einen seiner eigenen Fehler eingestanden. Und der Mann sollte unfehlbar sein? Als jedoch die Partygäste aufgeregt durcheinanderzischelten und sich darüber aufregten, dass er an der katholischen Kirche festhielte, musste ich den schwachen Herrn schließlich doch verteidigen. So ein Bohei um das „mea culpa“. Was hatten denn die anderen erwartet? Selbst wenn er wollte, er könnte ja gar nichts gegen seine Firma sagen. Als Angestellter. Noch dazu im Greisenalter. So kurz vor der Rente. Mit Gott hat das alles nichts zu tun. Man beißt doch nicht die Hand, die einen füttert. Fragen Sie mal die Schweine, ob sie vom Trog wegwollen. Wenn er als Papst an der Kirche öffentlich rumgemäkelt hätte, wäre er entweder achtkantig rausgeflogen oder – er wäre ermordet worden. Die tun so was. Im Vatikan. Und davor hat sogar der berühmte Papst Angst. Da darf sich die breite Öffentlichkeit nichts vormachen.