: Frankfurt Oder was?
Um ein Buch über die bedrohlichen Ostdeutschen zu verkaufen, muss die Schriftstellerin Luise Endlich schon wieder umziehen
Pünktlich zum Beginn der Leipziger Buchmesse ist Gabriela Mendling eingefallen, dass sie es nicht mehr in Frankfurt (Oder) aushält. Die umstrittene Autorin wird mit einer Neuerscheinung beim großen Literaturspektakel dabei sein, da kann etwas Publicity nicht schaden. Auffallend termingerecht ließ die 40jährige wissen, dass sie wegen der „vielen Hasstiraden“ ihren jetzigen Ost-Wohnsitz verlassen und nach Westberlin umziehen will. Der PEN hat das Schicksal der verfolgten Schriftstellerin noch nicht kommentiert.
Die Fluchtnachricht erfolgt spät, die Tumulte um ihr erstes Buch sind eigentlich vorbei. Mit einem launigen Alltagsreport namens „NeuLand“ hatte Gabriela Mendling, Künstlername Luise Endlich, letztes Jahr für Furore gesorgt. Geschildert wird das gramvolle Leben einer zugereisten Westfamilie im ungemütlichen Osten. 1994 war die Frau als Chefarztgattin in die Grenzstadt an der Oder gekommen – sechs Jahre später verlässt sie die Stadt als gefragte Gesprächspartnerin in Sachen Einheitsschrecken. Ob Weingeschmack, Kleiderordnung oder Gemeinsinn, im Buch wurde vorzugsweise Furchterregendes über die Ureinwohner von Klein-Frankfurt berichtet. Die meisten Medien zitierten Gabriela Mendling fortan gern als Kronzeugin für ostdeutsche Einfalt und provenzielle Barberei. Das gesamte Neulandgebiet empörte sich entsprechend, von aufgebrachten Frankfurter sollen sogar Morddrohungen stammen. Der ironische Grundton der Mendling-Geschichte hatte offensichtlich nicht richtig funktioniert – der Satireversuch wurde als pure Beschimpfung missverstanden. Dem Buch bekam die öffentliche Aufregung allerdings bestens. Der transit-Verlag meldet sieben Auflagen und 62.000 verkaufte Exemplare.
In Leipzig hat nun das zweite Werk der Autorin Premiere. Es ist eine Art Nachtrag, die Debatten um den ersten Text wurden zu einem weiteren stimmungsvollen Bericht verarbeitet. Der Titel diesmal: „OstWind“. Doch deutsch-deutsche Animositäten haben im Moment nicht gerade Konjunktur. Angesichts des wundersamen Aufstiegs einer Angela Merkel wirkt das Ost-West-Gemurre der Gabriela Mendling kleinlich und seltsam ahistorisch.
Selbst ihr Mann, der als Chefarzt am Frankfurter Klinikum bleiben wird, hat die neue nationale Versöhnungslaune schon bemerkt. Die Attacken, denen er zeitweise nach Erscheinen von „NeuLand“ ausgesetzt war, seien vorbei, erklärte er dieser Tage. Da seine Frau für ihr neues Buch eine PR-Idee brauchte, ist der alte Zoff halt nur noch mal geschickt hochgekocht worden.MANUELA THIEME
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