piwik no script img

Boxenstopp mit Fröschen

Der Medienkonzern EM.TV arbeitet unkonventionell und äußerst erfolgreich. Viel zu erfolgreich. Konkurrenz und Analysten suchen das Haar in der Suppe, werden aber bislang nicht fündig

von HANS G. NAGL

Musik ist eine Charakterfrage – das gilt auch für Unternehmen. EM.TV zum Beispiel. „Celebrate the times“ fordert die Telefonanlage des Münchener Medienunternehmens wartende Anrufer auf. Wahrscheinlich, weil Firmenchef Thomas Haffa selbst vor lauter Erfolg gar nicht mehr aus dem Feiern herauskommt. 1997 brachte er EM.TV für 34 Mark an die Börse, heute ist die Aktie von damals mehr als 10.000 Mark wert. Doch Haffa, Tausendsassa der deutschen Medienbranche, ruht sich nicht auf Lorbeeren aus. Mitte Februar kaufte er die Muppets-Erfinder The Jim Henson Company mitsamt den Rechten an ihren Charakteren. Und am Mittwoch verkündete Haffa nun seinen vorläufig letzten Coup: EM.TV übernimmt 50 Prozent an der Betreiberfirma der Formel 1.

Miss Piggy und Michael Schumacher sitzen künftig im Marketing-Rennauto von EM.TV. Erfolg ist Haffa gewöhnt. Schon als 15-Jähriger ist er vom Geld fasziniert, schmeißt kurz vor dem Abitur die Schule, um Autos zu verkaufen. Später macht er dann Karriere im Vertrieb von IBM, bevor ihn der Münchener Medienpate Leo Kirch Ende der 70er in sein Imperium holt. Dort baut Haffa das Videogeschäft auf und verantwortet innerhalb der Gruppe bald die Bereiche Merchandising und Musik. 1989 verlässt er Kirch und erfüllt sich mit der Gründung seiner EM.TV & Merchandising AG einen lang gehegten Wunsch. Bereits in den Anfangsjahren sichert sich EM.TV die Rechte an Comic-Charakteren wie Alfred J. Kwak, Teenage Mutant Hero Turtles oder der Familie Feuerstein. Weil aber Zeichentrickfilme alleine nicht wirklich glücklich machen, bringt Haffa ab Mitte der 90er auch Events an den Mann – egal, ob es sich dabei um die Vermarktung des Oktoberfests oder der Eishockey-WM 1996 in Wien handelt. Und wenn im Sommer in Hannover die Expo startet, dürfte auch EM.TV kräftig mitverdienen: Die Nummer eins am Neuen Markt in Frankfurt hält die weltweiten Merchandising-Rechte. Zudem verfügt EM.TV heute über einen Rechtekatalog von 30.000 halbstündigen Kinder- und Jugendfilmen. Nebenbei ist das Unternehmen mit 45 Prozent am TV-Produzenten und Rechteinhaber Tele München Gruppe (TMG) und 65 Prozent an dem Spielzeughersteller Igel beteiligt. Mit einem Börsenwert von mehr als 25 Milliarden Mark übertrifft EM.TV sogar deutsche Traditionsunternehmen wie den Maschinenhersteller MAN. Trotz des Erfolgs von EM.TV scheint sich Haffa Instinkt fürs Geschäft und einen Hang zum Unkonventionellen bewahrt zu haben. Nach dem Kauf der Jim Henson Company, für den EM.TV immerhin 680 Millionen US-Dollar auf den Tisch legte, bekundete er, er habe sich lediglich auf seinen „eigenen Riecher verlassen“. Vorher mussten allerdings noch schnell seine sieben und zehn Jahre alten Kinder für Marktforschungszwecke herhalten. Ein paar Muppets-Folgen auf Video, und die Kleinen bestätigten Papas positive Marktprognose. Porsche-Fahrer Haffa kündigte daraufhin gleich 26 neue Folgen der Kult-Serie für das Jahr 2001 an. Und weil das nicht genug ist, will er in jeder Metropole Europas eine Muppets-Bühnenshow aufziehen. In der dann nach seiner Vorstellung Carlos Santana mit Kermit um die Wette tanzt. Sollte Santana darauf keine Lust haben, könnte er – ähnlich marketingwirksam – jetzt auch bei Schumi in der Boxengasse Gitarre spielen. Der Einstieg Haffas in den Formel-1-Zirkus macht’s möglich. Für rund 3,3 Milliarden Mark – in bar und in Aktien – übernimmt EM.TV 50 Prozent der Holding, die sämtliche Formel-1-Aktivitäten kontrolliert. Binnen eines Jahres will das Medienunternehmen an der Isar sich noch ein weiteres Viertel einverleiben. Die Gespräche mit Formel-1-Altmeister Bernie Ecclestone, der die andere Hälfte an der Holding hält, laufen schon. Und: Haffa wäre nicht Haffa, hätte er nicht auf mittlere Sicht den Börsengang seines Neuerwerbs angekündigt. Mit seinem jüngsten Streich, den er „als den wichtigsten in der Unternehmensgeschichte“ bezeichnet, kann sich Haffa jetzt wieder einmal im Lob von Branchenkennern und Anlegern sonnen. Medienberichten zufolge bringt der Rennzirkus jährlich 400 Millionen Mark Reingewinn ein. Übereinstimmend wird der Formel-1-Einstieg in Analystenkreisen deshalb als „interessantes Geschäft“ bezeichnet, zumal EM.TV die Rechte ohne zeitliche Begrenzung ersteht. Hinzu kommt, dass EM.TV mit der Vermarktung von Eishockey- und Snowboard-Events schon auf Erfahrung im Sportbereich zurückgreifen kann. Und mit über viereinhalb Milliarden Zuschauern pro Rennen ist die Formel 1 ohnehin ein Selbstläufer. EM.TV hat für das laufende Jahr seine Umsatzprognose mit 1,5 Milliarden Mark deutlich nach oben korrigiert. Bleibt die Frage, wie EM.TV in gut zehn Jahren klammheimlich zum drittgrößten deutschen Medienkonzern aufsteigen konnte. Während nämlich beispielsweise Bertelsmann seit Monaten erfolglos versucht, sich im Musikbereich zu verstärken, verkündet EM.TV einen Deal nach dem anderen und wächst munter weiter. Ein Trost bleibt den Güterslohern immerhin: EM.TV will bis 2003 die Formel-1-Übertragungsrechte fürs Free-TV beim Bertelsmann-Sender RTL lassen. Schon lange war gemunkelt worden, EM.TV werde die Rechte an Sat.1, dem Sender von Haffas Ex-Arbeitgeber Leo Kirch, verkaufen. „Das ist nicht unsere Intention“, heißt es hierzu bei EM.TV. „RTL macht einen guten Job.“ Auch wenn viele EM.TV für gnadenlos überbewertet halten, das Haar in der Suppe kann keiner so recht finden. „Das Management versteht es einfach, die Investoren zu begeistern“, sagt ein Analyst. Und für die Begeisterung der Analysten sorgt wiederum auch Haffa selbst. Die werden von EM.TV nämlich gerne mal zum Snowboard-Weltcup nach Berchtesgaden oder zur Fahrt nach Cannes eingeladen. Neben der Analystenpflege kann Haffa zudem immer wieder von Marktgerüchten profitieren. Die entpuppen sich zwar im Nachhinein öfters mal als Ente, der Aktienkurs steigt aber erst mal. So geschehen, als Focus verkündete, Sat.1-Chef Fred Kogel, dessen Vertrag im Mai 2001 ausläuft, werde bald den EM.TV-Vorstand verstärken. Auch für die zweite Falschmeldung der letzten Zeit zeichnet Helmut Markworts Fakten-Blatt verantwortlich. Nämlich, dass EM.TV im Falle eines Einstiegs in die Formel 1 die Übertragungsrechte für jedes einzelne Rennen meistbietend versteigern will. „Das ist so nicht richtig“, dementierte das Unternehmen am Mittwoch. Gerüchte hin oder her, Haffas Aktionäre dürfte das kaum interessieren. „Bitte schreiben Sie die Erfolgsgeschichte weiter“, hatten diese ihn noch auf der Hauptversammlung im Dezember angefleht. Das hat Haffa jetzt getan – freilich nicht ganz selbstlos: Die Familie Haffa hält nach wie vor mehr als die Hälfte der EM.TV-Papiere. Nach dem Formel-1-Deal dürften deren Wert weitersteigen – die Deutsche Bank hat ein Kursziel von 125 Euro gesetzt, heute liegen sie um die 100 Euro. Eigentlich Zeit für einen neuen Song in der Telefonanlage. Vielleicht: „We are the champions“?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen