Frauensieg gegen die US-Regierung

1.100 Frauen, die wegen ihres Geschlechts bei Einstellungsverfahren benachteiligt wurden, erstreiten 508 Millionen Dollar Entschädigung

von BERND PICKERT

„Diskriminierung kann enorm viel kosten“, sagte Rechtsanwalt Bruce Fredrickson am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Washington. Er weiß, wovon er redet. 508 Millionen US-Dollar, etwa 450.000 Dollar für jede seiner 1.100 Mandantinnen, haben er und seine MitanwältInnen der US-Regierung abgetrotzt. Das ist Rekord bei einem Anti-Diskriminierungsverfahren in den USA.

Es war Fredricksons erster Fall nach seinem Universitätsabschluss, als er 1977 die Sammelklage von Frauen gegen die US-Informationsbehörde USIA und ihren Sender Voice of America (VOA) einreichte. Die Frauen hatten sich als Redakteurinnen, Reporterinnen, Moderatorinnen und auf andere in der Regel gut bezahlte Stellen beworben und waren allesamt zu Gunsten weniger qualifizierter männlicher Bewerber abgelehnt worden – ein klarer Verstoß gegen die Gleichstellungsbestimmungen, wie sie im Civil Rights Act von 1964 festgeschrieben sind. Das bestätigte auch ein US-Bundesgericht, als es die Regierung 1984 wegen Geschlechterdiskriminierung bei der USIA und Voice of America in den Jahren von 1977 bis 1984 für schuldig befand. Die betroffenen Frauen hatten nachweisen können, dass sie in Einstellungstests ungerecht behandelt wurden, Testergebnisse gefälscht wurden oder ganz verschwanden.

Dona De Sanctis etwa, Radiofrau mit Doktortitel, wurde nach ihrem Einstellungstest mit der Begründung abgelehnt, ihr männlicher Mitbewerber habe einen „horrormäßig guten“ Punktestand erreicht. Der Mann hatte den Test nachweislich nie gemacht. Rose Kobylinski, polnisch-sprachige Hörfunkredakteurin, wurde vor 20 Jahren bei der VOA mit der Begründung abgelehnt, ihre Stimme sei zu alt. Heute ist sie 79 und macht Radio in Chicago.

Nach dem Urteil von 1984 hatten sich die Frauen in Einzelklagen daran gemacht, Abfindungssummen und Entschädigungen einzuklagen – ein langwieriges, kostspieliges und mühsames Verfahren. In 46 von bislang 48 verhandelten Fällen verlor die US-Regierung und wurde zur Zahlung von insgesamt 22,7 Millionen Dollar verurteilt. Erst jetzt sah sie sich genötigt, einer Gesamtregelung zuzustimmen. Ein Bundesrichter muss die Einigung nun noch absegnen.

Die Klägerinnen haben vereinbart, den Gesamtbetrag gerecht unter sich aufzuteilen und dabei auch diejenigen Frauen zu berücksichtigen, die bereits Einzelklagen durchgefochten haben. Hat ihnen das Gericht weniger zugesprochen als 450.000 Dollar, bekommen sie aus dem Einigungsbetrag die Differenz ausgezahlt; haben sie mehr erstritten, bleibt für sie alles beim Alten.

Die betroffenen Frauen zeigten sich überglücklich mit dem Zugeständnis der Regierung. „Wir haben im Land der Freiheit einen gerechten Krieg gewonnen“, sagte Jahanare Hasan in Washington. Sie war als Hörfunkredakteurin in Pakistan beschäftigt, als sie sich um einen Job bei Bangladesh-Dienst von Voice of America bewarb – und mit explizitem Verweis auf ihr Geschlecht abgelehnt wurde. „Im Bangladesh-Dienst durften nur Männer die Nachrichten verlesen“, erklärt ihre Rechtsanwältin Susan Brackshaw.

Die US-Informationsbehörde, zuständig für alle Auslandsinformationen aus den USA, gibt es inzwischen nicht mehr in der damaligen Form. Bei Voice of America, dem direkt beklagten regierungseigenen Sender, stellt man sich bis heute auf den Standpunkt, die Vorwürfe, insbesondere die der Dokumentenfälschung und des Betrugs, seien nicht eindeutig bewiesen – daher habe es auch keinen Grund gegeben, gegen die mutmaßlich verantwortlichen Personen in Leitungsfunktionen disziplinarisch vorzugehen.