: Jetzt wird es Ernst
Der Baulöwe Roland Ernst sitzt wegen des Verdachts auf Betrug in Haft. Die Staatsanwaltschaft fahndet nach Millionen. Kenner der Branche fürchten Auswirkungen auf Berliner Bauprojekte
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Ganz so viel Bequemlichkeit wie in seiner Wohnung in Berlin-Mitte wird Roland Ernst wohl kaum haben. Auch den Raum des weitläufigen Büros über den Dächern der Friedrichstraße wird er vermissen. Und seine Baustellen in der Stadt sieht er ebenfalls nicht. Roland Ernst, einer der größten Baulöwen der Republik und Milliardeninvestor in der Hauptstadt, sitzt seit drei Tagen wegen des Verdachts auf Millionenbetrügereien bei seinen Bauprojekten in einer Gefängniszelle der Justizvollzugsanstalt Bochum.
Die Lage ist also ernst. Mit einer Entlassung kann der Baulöwe nicht rechnen. Einen „Fall Schneider“ – der Frankfurter Bauunternehmer hatte sich den Ermittlungen durch Flucht entzogen – will die Staatsanwaltschaft Bochum nicht riskieren. „Ernst bleibt in Haft“, sagte der Sprecher der Bochumer Staatsanwaltschaft, Eduard Güroff, gestern zur taz. „Zudem besteht der Verdacht auf Flucht- und Verdunkelungsgefahr.“ Dem Investor würden Betrug und Untreue in mindestens drei Fällen zur Last gelegt. Der Schaden in Fom von „Scheinabrechnungen“ belaufe sich auf mehrere Millionen Mark. „Um welche Immobilien es sich handelt, kann die Staatsanwaltschaft noch nicht sagen“, so Güroff. Erst müsse bei den „betreffenden“ Bauprojekten ermittelt werden. Gefahr im Verzug also.
Es liegt auf der Hand, dass die Spur der Fahnder zwangsläufig nach Berlin führen wird. Der Heidelberger Bauunternehmer mit Sitz in der Friedrichstraße hat seit der Maueröffnung 1989 über 10 Milliarden Mark in der Hauptstadt verbaut. Wie im Fall Jürgen Schneider, vermutet ein Kenner der Immobilienbranche, könnten „geschönte“ Kalkulationen bei Banken der Auslöser bei den Ermittlungen gewesen sein. Ernst habe in letzter Zeit nicht mehr übermäßig rentabel gewirtschaftet, die Firma sei ins Schlingern geraten. Auch führe die Verhaftung zu einem Schock in der Szene, denn Ernst habe „das große Rad in Berlin gedreht“. In der Bauverwaltung zeigt man sich ebenfalls verunsichert. „Kein Kommentar zu Roland Ernst“, teilt deren Sprecherin Petra Reetz lapidar mit.
Dass es bald mehr als um ein paar Scheinrechnungen gehen könnte, nämlich Firmenzusammenbrüche, Bauruinen oder offene Darlehen folgen könnten, ist in Berlin darum wahrscheinlich, hat Ernst doch hier in den vergangenen Jahren Großprojekte der Superlative hochgezogen.
„Berlin kommt gleich nach Brasilia“, war ein Wahlspruch des Baulöwen, der die Dimension seiner Investitionen widerspiegelt. „Berlin elektrisiert, es ist wie in einer neuen Gründerzeit.“ Die Liste der Großprojekte liest sich heute wie der neue Stadtplan Berlins: die Galeries Lafayette in der Friedrichstraße, das „Karree am Gendarmenmarkt“, die geplanten Bürobauten am Potdamer Platz und Alexanderplatz, die „Oberbaum-City“ an der Spree, der 125 hohe „Treptower“ für das Allianz-Headquarter, Bauten in der Leipziger Straße oder die Sanierung der Hackeschen Höfe.
Dass der Bau-Tycoon für die Grundstücke der Glaspaläste, Bürobauten und Kaufhäuser immer den „richtigen Riecher für Topadressen hatte“, wie ein Mitarbeiter der Bauverwaltung sagt, liegt weniger am Naturell des bulligen Heidelbergers als vielmehr an großer Kenntnis der Branche. Für etwa von der Treuhand-Anstalt ausgelobte Grundstücke in Berlin-Mitte besorgte er sich Vorkaufs- oder Erbpachtrechte. Mitbewerber gingen leer aus. „Ernst baut nicht nur viel, er baut auch geschickt“, analysierte der frühere Bausenator Jürgen Klemann die Geschäftspraktiken des Bauträgers.
Doch die sind nicht immer sauber. 1997 verdonnerte das Landgericht Stuttgart den Bauträger im „Sachsenmilchskandal“ zu einer saftigen Geldstrafe in Höhe von 630.000 Mark. Ernst hatte Beihilfe zur Untreue bei dem 37 Millionen Mark teuren Deal zwischen der Sachsenmilch und ihrem späteren Käufer, der Südmilch AG, geleistet, indem er ein Scheingeschäft inszenierte. Und im Juni vergangenen Jahres geriet Ernst im Zusammenhang mit dem 289 Millionen Mark teuren Verkauf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bonn an eine Käufergemeinschaft aus Banken, Versicherungen und der Veba Immobilien AG erneut in die Schlagzeilen.
Bei dem Verkauf des von Ernst zusammen mit dem Bonner Bauträger Kaaf errichteten Bürohauses sollen Schwarzgelder in Höhe von rund sechs Millionen Mark geflossen sein. Sein früherer Rechtsanwalt Thomas G. wurde deshalb wegen Parteienverrats und Untreue zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, weil er bei der Vertragsgestaltung Ernst über die enthaltenen Scheinprovisionen getäuscht haben soll. Kaaf selbst wurde im November vergangenen Jahres zu vier Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Der ebenfalls unter dringendem Tatverdacht verhaftete frühere Bonner Oberstadtdirektor und spätere Veba-Manager Dieter Diekmann entzog sich der Verantwortung und erhängte sich September vergangenen Jahres in der Zelle.
Um Ernst steht es jetzt wieder ernst und vielleicht wird es ganz eng – in der Zelle.
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