Zahl der Woche: 35
: Eismassen schmelzen schneller denn je

Gletscher verliert täglich 35 Meter

Treibhauseffekt? Wo denn? Der Wasserstand der Meere ist im vergangenen Jahrhundert um 10 bis 25 Zentimeter gestiegen, aber niemand hat es wirklich gemerkt. Gewaltige Veränderungen wie das Abschmelzen der globalen Eisvorkommen gehen eben langsam und unmerklich vor sich. Dachten wir. Doch in Alaska kann man die Klimaveränderung täglich betrachten: Das Eis des Columbia-Gletschers an der Südküste des Staats zieht sich um 35 Meter zurück – an jedem Tag. Besucher können also mit eigenen Augen sehen, wie im Schnitt jede Stunde 1,5 Meter Eis wegschmelzen.

Die Daten vieler verschiedener Messstationen zum Schrumpfen der Eiskappen hat das Worldwatch Institut in Washington zusammengetragen. Nach der Analyse der Forscher schmilzt das Eis der Erde schneller und an mehr Stellen als jemals zuvor, seit Daten gesammelt werden. Demnach hat sich die große Eisschmelze in den 90er-Jahren beschleunigt, weil diese das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Temperaturmessungen waren. Experten sehen in dem großflächigen Schmelzen des Eises die ersten Vorboten der Klimaveränderungen, die der Mensch durch den Ausstoß von Klimagasen wie Kohlendioxid verstärkt.

Die Gletscher sind weltweit auf dem Rückzug. Der Eispanzer auf Grönland hat im Süden und Osten in den letzten Jahren mehr als einen Meter an Dicke verloren. Die Gletscher in den Alpen haben sich in den letzten 150 Jahren halbiert. Besonders in den Polarregionen schmilzt das Eis schneller als anderswo. Das stört nicht nur die Eisbären: Die weißen Eisflächen der Polkappen reflektieren bisher als gigantische Spiegel das einfallende Sonnenlicht. Verkleinert sich der Spiegel, verringert sich die Wärmeabstrahlung, was die ohnehin steigenden Temperaturen in der Atmosphäre weiter nach oben treiben könnte. Exzessive Eisschmelzen am Nordpol könnten dazu führen, dass mehr Eiswasser den Golfstrom beeinträchtigt, und Nordamerika und Europa abkühlen, warnen die Worldwatch-Forscher. Die Gegend an Indus und Ganges, die auf das Himalaja-Schmelzwasser angewiesen ist, leidet doppelt unter dem Schmelzwasser: akut unter Wasserfluten und mittelfristig unter einem Rückgang ihrer Wasserreserven. BERNHARD PÖTTER